Impfstreit: Gericht urteilt im Sinne einer Impfflicht

Vom RKI werden Schutzimpfungen gegen Infektionskrankheiten ab dem Babyalter empfohlen – Foto: sonar512 - Fotolia
Sind sich Eltern uneins darüber, ob ihr Kind eine Schutzimpfung erhalten soll, liegt Entscheidungsbefugnis bei dem Elternteil, der diese befürwortet. Voraussetzung ist, dass die Schutzimpfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) des RKI angeraten wird und bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen, so der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Urteil.
Dieser Beschluss könnte es Impfgegnern noch schwerer machen. Nicht erst seit dem Maserntod einer 37-jährigen Frau in Essen wird über eine allgemeine Impfpflicht für Kinder gegen ansteckende Krankheiten diskutiert. Nach Berichten der „Bild“-Zeitung droht Gesundheitsminiser Hermann Gröhe (CDU) Eltern künftig mit Geldstrafen, wenn sie vor dem Kita-Besuch ihrer Kindes nicht an einer verpflichtenden Impfberatung teilnehmen. Das geht aus dem Entwurf für ein neues Epidemiologie-Gesetz hervor.
Kinderärzte befürworten Impfpflicht
Die FDP fordert eine Impflicht, auch der Berufsverband der Kinder- und Jugenärzte plädiert für eine Impfpflicht für Kinder, die eine Kita oder andere Bildungseinrichtung besuchen wollen. In Italien wurde eine Impfpflicht für Kinder jetzt eingeführt. In dem Fall der 37-jährigen war sie nicht gegen die bei Erwachsenen schwerer verlaufende Infektionskrankheit geschützt, da sie als Kind anscheinend nicht beide erforderlichen Impfungen erhalten hatte.
In dem jetzt dem BGH vorliegenden Fall waren Vater und Mutter nicht verheiratet, lebten getrennt und hatten das gemeinsame Sorgerecht für die 2012 geborene Tochter. Sie waren sich uneins über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihr Kind. Der Vater befürwortet sie, die Mutter war dagegen, da sie das Risiko von Impfschäden befürchtete und diese durch einen Gutachter ausschließen lassen wollte.
Schutzimpfung im Sinnes des Kindswohles
In Angegenheiten des täglichen Lebens wie Ernährung, der Teilnahme an Sportkursen oder sozialen Kontakten kann der Elternteil entscheiden, bei dem das Kind lebt - in dem Fall die Mutter. Bei Thema Impfen handele es sich aber um eine „Sache von erheblicher Bedeutung“, so der BGH. Gibt es keine Einigung, kann ein Gericht einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis zusprechen.
Die Nebenwirkungen einer Nicht-Impfung – also die Erkrankung - wiege genauso schwer die die mögliche Nebenwirkung einer Impfung. Ein Sachverständigengutachten zur Klärung und Abwägung der allgemeinen Infektions- und Impfrisiken sei nicht erforderlich. Die Empfehlungen der STIKO seien auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und Richtschnur bei der Definition der Gesundheitsbelange. Diese würden dem Kindswohl am ehesten gerecht.
Vater darf Tochter gegen den Willen der Mutter impfen lassen
Der Vater sei daher wegen seiner befürwortenden Haltung bezüglich der Impfvosorge besser geeignet, eine kindeswohlkonforme Entscheidung herbeiuführen. Die Tochter kann nun Routine-Imfungen etwa gegen Tetanus, Diphterie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln erhalten. Der von der Mutter erhobene Vorwurf, die STIKO-Empfehlungen seien „Produkt unheilvoller Lobbyarbeit der Pharmaindustrie und der Ärzteschaft" seien nicht hinreichend konkretisierbar.
Impfstreit: Gericht entscheidet im Sinne einer Impfpflicht
Aus dem Fehlen einer gesetzlich verankerten Impfpflicht sei keine staatliche Neutralität abzuleiten, so der BGH weiter. Das Gericht entschied vor dem Hintergrund des aktuellen Impfstreites im Sinne einer Impfpflicht. Schutzimpfungen dienen dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbreitung dem Gemeinwohl. Noch nicht geimpfte Kinder profitierten auch von der Impfung anderer Kinder und der damit gesenkten Infektionsgefahr.
Foto: sonar512/fotolia.com