Immunologen: „Besser erst viele einmal impfen – als wenige zweimal“

Nach der ersten von zwei nötigen Impfungen bieten COVID-19-Impfstoffe zwar noch keinen Langzeitschutz – aber laut Immunologen einen beträchtlichen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen. – Foto: ©Rido - stock.adobe.com
Wenn sich jede Woche viermal so viel Menschen mit COVID-19 infizieren wie errechnet, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten, aber die Herstellung der frisch zugelassenen Impfstoffe erst anläuft, stellt sich die Frage: Wie geht man mit der relativen knappen Menge an Impfdosen um, die derzeit nur zur Verfügung stehen?
Im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte steht jetzt die Idee, die Zeitspanne zwischen der ersten und der zweiten Impfung – je nach Impfstoff – mindestens zu verdoppeln, um durch eine Erstimpfung bei möglichst vielen Menschen möglichst schnell eine Grundimmunisierung zu erreichen. In die laufende Diskussion über die optimale Impfstrategie hat sich jetzt die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI) eingeschaltet. „In dieser besonderen Pandemielage ist es vertretbar, mit den jetzt vorhandenen Impfdosen möglichst vielen Menschen erst einmal die erste Immunisierung zu ermöglichen“, heißt es in einem aktuellen Papier der Fachgesellschaft. Die zweite Dosis, die unter regulären Umständen etwa 21 Tage nach der ersten gespritzt werden soll, könne etwas verzögert verabreicht werden – zwingend und spätestens aber innerhalb von 60 Tagen.
Erstimpfung: „Beträchtlicher Schutz vor schweren Krankheitsverläufen“
Solange die verfügbaren Impfdosen nicht ausreichten, um sofort alle Risikogruppen zweimal zu impfen und sie so maximal zu schützen, sei eine pragmatische Strategie sinnvoll. „Als Immunologen weisen wir darauf hin, dass bereits die erste Impfung ab Tag 14 einen beträchtlichen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten kann", heißt es bei der DGfI. „Auf eine zweite Impfung darf nicht verzichtet werden, sie kann aber auch später als an Tag 21 nach der ersten Dosis erfolgen (für den Wirkstoff von BioNTech/Pfizer); und später als am Tag 28 (für den Wirkstoff des US-Herstellers Moderna). Bei anderen Impfstoffen habe sich diese Verfahrensweise „sogar als wirkungsvoller herausgestellt“.
Impfschutz setzt zwei Wochen nach der Erstimpfung ein
Zum Hintergrund: Grundsätzlich zeigen klinische Studien zu den aktuellen Impfstoffen laut DGfI, dass der Impfschutz frühestens 14 Tage nach der ersten Impfung beginnt. Die hohe Endwirksamkeit von um die 95 Prozent sei – je nach Impfstoff – ab dem 7. Beziehungsweise 14. Tag nach der zweiten Impfung dokumentiert. Antikörper und T-Zell-Antworten, die nach der zweiten Impfung gebildet werden, schützen generell besser und halten länger („immunologisches Gedächtnis").
Immunologen: Mehr Zeitabstand = Immunantwort sogar besser
Die Gesellschaft für Immunologie hinterfragt allerdings die Unantastbarkeit dieses Zeitintervalls. Die Studien zu den neuen Impfstoffen hätte sich an Erfahrungswerten mit anderen Impfstoffen orientiert sowie dem Ziel, möglichst schnell einen maximalen Schutz für die Geimpften zu erreichen. In anderen Studien habe sich aber gezeigt, dass ein – längerer – Abstand von mindestens 21 Tagen für die Immunantwort des Körpers sogar der bessere sei, „weil sonst die erste Immunreaktion die zweite Immunreaktion blockiert“. Erfolge die zweite Impfung später als 21 Tage nach der ersten, könne theoretisch „die zweite Immunreaktion bei anderen Impfstoffen sogar fulminanter sein“, argumentiert die DGfI. Für die neue Generation von Impfstoffen, die im Zuge der COVID-19-Pandemie zum Tragen kommen, müsse dies in Studien freilich noch verifiziert werden.
„Möglichst schnell möglichst viele zu impfen, rettet Leben.“
„Bis diese Ergebnisse vorliegen, wäre angesichts der besonderen Pandemielage eine Flexibilität der zweiten Impfung für den Zeitraum von bis zu 60 Tagen nach der ersten Impfung vertretbar“, heißt es in der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Die Fachgesellschaft plädiert dafür, die verfügbaren Impfdosen nicht für eine zweite Impfung zurückzuhalten, sondern für eine Erstimmunisierung von möglichst vielen Menschen der Risikogruppen zu verwenden. Die DGfI wörtlich: „Möglichst schnell möglichst viele Menschen in der COVID-19 Pandemie zu impfen, rettet Leben.“
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