Bei den HIV-Infektionen in Europa gibt es einen neuen Trend. Seit Jahren steigt die Zahl der Infektionen bei Menschen ab 50. Ein Großteil von ihnen ist heterosexuell. Zunehmend werden die Infektionen erst spät erkannt. Diese Entwicklungen gehen aus einer neuen Studie des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervor. Jetzt wurden die Ergebnisse im Fachmagazin „The Lancet HIV“ veröffentlicht.
In Deutschland ist der Trend besonders ausgeprägt
In der Studie wurden die gemeldeten Neuinfektionen im Zeitraum von 2004 bis 2015 in 31 europäischen Staaten ausgewertet - neben den 28 EU-Mitglieder waren Island, Liechtenstein und Norwegen dabei. Danach stieg in den zwölf Beobachtungsjahren der Anteil der Älteren europaweit im Mittel um jährlich 2,1 Prozent. Dieser jährliche Anstieg war in Deutschland mit 8,1 Prozent besonders hoch. Laut Studie entfielen im Jahr 2015 17,3 Prozent der Neudiagnosen auf Menschen ab 50 Jahren – das ist knapp jeder sechste. Auffällig sei, dass ein Großteil der älteren, sich bei heterosexuellen Kontakten angesteckt habe, schreibt das Team um Lara Tavoschi. Dieser Anteil sei größer als bei den jüngeren Neuinfizierten.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die HIV-Epidemie in eine neue Richtung entwickelt“, so Studienleiterin Tavoschi. Über die Gründe können die Autoren nur spekulieren. Prostitution und Sextourismus werden genannt, aber auch ein geringes Bewusstsein in dieser Altersgruppe. Der Trend belege, dass sich ältere von Aufklärungskampagnen nicht angesprochen fühlten, meinen die Autoren.
Ältere HIV-Infizierte haben weniger CD4-positive T-Helferzellen als jüngere
Sorge macht den Forscher auch, dass die HIV-Infektionen sehr spät erkannt werden. Ein Trend der alle Gruppen betrifft und aus zwei Gründen gefährlich ist. Einmal besteht die Gefahr, unwissentlich Partner anzustecken. Zum anderen kann das HI-Virus das Immunsystem schädigen, auch wenn die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist. So konnten die Forscher im Blut von älteren Infizierten zum Zeitpunkt der Diagnose deutlich weniger CD4-positive T-Helferzellen finden als in dem der jüngeren Patienten. Diese Immunzellen sind das Hauptangriffsziel des Aids-Erregers. Darum sei es zwingend notwendig, älteren Menschen verstärkt HIV-Tests anzubieten, mahnen die Forscher in ihrem Lancet-Artikel.
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