Immer mehr Ärzte fordern Sondersteuer auf Süßgetränke
Mit einem Offenen Brief wenden sich mehr als ein Dutzend Ärzteverbände und Fachgesellschaften an die künftige Bundesregierung und die Vorsitzenden der Parteien im Bundestag. Sie fordern unter anderem eine Sonderabgabe auf Süßgetränke und Beschränkungen bei Lebensmittel-Werbung, die sich an Kinder richtet.
Zugleich üben sie scharfe Kritik an Bundesernährungsminister Christian Schmidt. Er erteilte der Forderung nach einer Zusatzsteuer eine offene Absage und setzt stattdessen auf Ernährungsbildung. Diese Haltung werde der Problematik nicht gerecht, so die Ärzteverbände. Sie verweisen auf Erfolge dieser Sonderabgabe in anderen Ländern und darauf, dass auch die Weltgesundheitsorganisation WHO diese Maßnahme empfiehlt. Laut der WHO zeige die wissenschaftliche Evidenz, dass eine 20-prozentige Abgabe den Konsum der Produkte um etwa 20 Prozent reduziere, was der Entstehung von Adipositas und Diabetes vorbeuge, heißt es in dem Offenen Brief. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) habe jüngst die Lenkungswirkung einer solchen Regelung bestätigt.
Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen: Jeder Sechste ist zu dick
„Ernährungsbildung allein ist keine effektive Maßnahme gegen Übergewicht und Fehlernährung, schon gar nicht auf Bevölkerungsebene“, so die Verbände in ihrem Appell weiter. Sie beschreiben die aktuelle Situation mit Blick auf Übergewicht und Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland als dramatisch und verweisen darauf, dass die WHO bereits von einer globalen Adipositas-Epidemie spreche.
Einer repräsentativen Studie des Robert Koch Instituts zufolge gelten 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von drei bis 17 Jahren als übergewichtig oder adipös. Im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren habe der Anteil übergewichtiger Kinder damit um 50 Prozent zugenommen, der Anteil adipöser Kinder habe sich sogar verdoppelt, so die Ärzteverbände. Von den Erwachsenen gelten den Angaben zufolge 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen als übergewichtig oder adipös. Auch der Anteil der Diabeteskranken stieg demnach seit Ende der Neunziger Jahre deutlich um mehr als 25 Prozent (altersbereinigt).
Ärzte: Politische Anreize gegen Wohlstandskrankheiten unverzichtbar
Die Unterschriftenaktion hatten der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Verbraucherorganisation foodwatch gestartet. „Ohne das entscheidende Eingreifen der Politik können wir die Adipositas- und Diabetes-Epidemie nicht stoppen“, so DDG-Präsident Professor Dirk Müller-Wieland. Mittlerweile haben sich dem Appell zehn weitere Verbände angeschlossen.
Zu den neuen Unterzeichnern gehören unter anderem die Bundeszahnärztekammer und die Deutsche Adipositas Gesellschaft. „Wesentliche Erkrankungen in der Zahnmedizin - wie die Volkskrankheit Karies - sind durch Fehlernährung mitbedingt. Kohlenhydrate, vor allem Zucker, spielen dabei eine zentrale Rolle. Es ist dringend notwendig, gerade bei der Ernährung von Kindern die richtigen Anreize zu setzen“, so Professor Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer.
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