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Im Wald sein stärkt das Immunsystem

Sonntag, 22. März 2020, aktualisiert: 27.08.2021 – Autor:
Schon ein eintägiger Aufenthalt im Wald kann Anzahl und Aktivität der „Killerzellen“ des menschlichen Immunsystems messbar steigern – ein bis zu dreitägiger entsprechend mehr. Das ist das Ergebnis eines Experiments der Waldgesundheitsexpertin Melanie Adamek. „Waldbaden“ sei eine natürliche Option, um sich gegen Infektionskrankheiten wie Covid-19 zu wappnen.
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„Waldbaden" zur Kräftigung des menschlichen Immunsystems ist in Japan und Südkorea Teil der traditionellen Medizin. Auch europäische Forscher interessieren sich zunehmend für diese Form von Prävention. Als immunstimulierend gelten insbesondere Terpene: sekundäre Pflanzenstoffe, wie sie etwa in Baumharz vorkommen.

Im Wald zu sein wirkt sich positiv auf unser Immunsystem aus. Die Idee, diese Wirkung zu erforschen und medizinisch zu nutzen, stammt von dem japanischen Mediziner Qing Li von der Nippon Medical School in Tokio. Er gilt als Schöpfer des sogenannten „Wald-Badens“ (japanisch: Shinrin Yoku). In seinen Studien hat er gezeigt, dass Aufenthalte im Wald positive und nachhaltige Effekte auf Anzahl und Aktivität der natürlichen Killerzellen haben können. „Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) sind unsere wohl wichtigsten körpereigenen Immunzellen, die Tumorzellen oder virusinfizierte Zellen erkennen, wichtige Botenstoffe bilden und schädliche Zellen abtöten können“, sagt die Münchner Waldgesundheits-Expertin Melanie Adamek. In einem von ihr konzipierten und durchgeführten Experiment hat sie jetzt erforscht, ob sich die von dem japanischen Wissenschaftler gewonnenen Erkenntnisse „auch bei ganz normalen Menschen in ganz normalen Wäldern erzielen lassen“.

Waldbaden-Experiment: In einem Wald in Kroatien

Adameks Experiment fand in einem Wald in Fuzine in Kroatien statt, mit einer Gruppe von zwölf männlichen und weiblichen Probanden. In Aufbau und Konzeption lehnte sich die Münchner Forscherin an die vorliegenden wissenschaftlichen Studien des japanischen Professors Li aus Tokio an. Die Messung der NK-Zellaktivität anhand von Blutproben wurde von Fachleuten begleitet und interpretiert, unter anderem von dem kroatischen Immunologen Daniel Rukavina, der auf dem Gebiet der NK-Zellen geforscht hat.

Zwölf Männer und Frauen – drei Tage im Wald

In drei Gruppen, die für drei Tage im Wald waren, wurden Steigerungen bei der Anzahl der NK-Zellen um 30 Prozent am ersten Tag, um bis zu 50 Prozent am zweiten Tag und selbst nach sieben Tagen, also nach Abschluss des Shinrin Yoku, noch um 20 bis 30 Prozent gemessen. Bei der Aktivität der NK-Zellen waren die Ergebnisse noch deutlicher: Am ersten Tag lagen die Verbesserungen zwischen 27 und 43 Prozent, am zweiten Tag zwischen 38 und 53 Prozent und nach sieben Tagen noch immer bei 33 bis 43 Prozent.

Mit einer Referenzgruppe wurden die Ergebnisse bei einem Aufenthalt von nur einem Tag im Wald überprüft: Am Tag nach dem Waldbaden lag die Anzahl der NK-Zellen ebenfalls um 22 Prozent höher, am siebten Tag danach noch immer bei einem Plus von 21 Prozent. Die Aktivität der Killerzellen konnte mit einem einzelnen Waldbaden-Tag sogar um 42 Prozent gesteigert werden und nach sieben Tagen waren die NK-Zellen noch immer um fast 36 Prozent aktiver.

Adamek: „Aktivieren Sie Ihren inneren Arzt“

Nach Abschluss des von ihr durchgeführten Gruppenexperiments sagt Adamek: „Eine der positiven Wirkungen des Shinrin Yoku ist, dass durch den gut angeleiteten Aufenthalt im Wald – und das schon beim ersten Waldbaden – die Anzahl und Aktivität unserer NK-Zellen, also der Natürlichen Killerzellen unserer Immunabwehr, um mehr als 30 Prozent ansteigen können". Angesichts steigender Zahlen von Infektionen mit dem Coronavirus in Bevölkerung lautet ihre Empfehlung: „Aktivieren Sie Ihren inneren Arzt. Nutzen Sie die enormen Heilkräfte des Waldes, gerade in Zeiten einer Virus-Pandemie.“

Hypothese: Starkes Immunsystem durch starke Psyche

Adamek ist ursprünglich promovierte Juristin und heute Geschäftsführerin eines Verlags für Gesundheitskommunikation in München. Beim „wissenschaftlichen Erfinder“ des Waldbadens, Qing Li in Tokio, hat Adamek eine Weiterbildung in „Forest Medicine“ absolviert. Der japanische Wissenschaftler und seine Forscherkollegen vertreten die Hypothese, das Waldbaden auf zwei Wirkungswegen die Immunzellen stärkt. Als natürliche Aromatherapie würden die Aktivität der NK-Zellen durch die in der Waldluft enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe angekurbelt. Die Waldumgebung wirke zweitens entspannungsfördernd auf die Psyche, die wiederum das Immunsystem stark beeinflusse.

Pflanzliche Terpene: Antimikrobiell und immunstimulierend

Vor allem die in der Waldluft enthaltenen Terpene, mit denen Bäume untereinander kommunizieren und die Menschen beim Aufenthalt im Wald einatmen, wirken nach Einschätzung von japanischen Waldmedizinern immunstimulierend. Terpene sind chemischen Verbindungen, die als sekundäre Inhaltsstoffe in allen Lebewesen  natürlich vorkommen, vor allem aber in pflanzlichen. Sie können etwa als umweltfreundliche Insektizide verwendet werden, indem sie als Pheromone Insekten in Fallen locken (Beispiel: Mottenfalle im Haushalt). Außerdem wirken sie häufig antimikrobiell. Viele Terpene kommen in den Harzen von Bäumen vor wie beispielsweise der Kiefer.

Spektakuläres Experiment: Hotelzimmer mit und ohne Waldluft

Die „Nippon Medical School“ untersuchte die jetzt von Adamek erforschte Immunwirkung des Waldes schon vor längerer Zeit in einem spektakulären Experiment. Die Forscher quartierten dafür zwölf Personen in einem Hotel ein und bildeten eine Experimental- und eine Kontrollgruppe. Bei ersterer wurde die Atemluft in der Nacht mit Waldluft angereichert, die andere atmete die ganz normale Stadtluft der Umgebung. Auch in diesem Experiment wiesen die Blutproben der Probanden aus der Waldluft-Gruppe, wie es heißt, eine deutlich höhere Zahl und Aktivität der körpereigenen Killerzellen auf.

MPI-Studie: Schon Wohnen in Waldnähe positiv für Stressverarbeitung

In Japan und Südkorea hat Waldbaden eine lange Tradition. Auch außerhalb Asiens und inzwischen auch in Deutschland befassen sich immer mehr Forscher mit der Heilkraft des Waldes. So konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zeigen, dass Menschen, die in Waldnähe wohnen, eine gesündere Struktur der Amygdala (Mandelkern) zeigen. Dabei handelt es sich um kleine Region im Innern des Gehirns, die eine wichtige Rolle bei der Stressverarbeitung spielt.

Foto: obs/Dr. Melanie H. Adamek/©Optimum Medien & Service GmbH

Hauptkategorie: Medizin
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