„Ich stehe für einen Neustart am DHZB”

Herr Professor Falk, Sie haben im Oktober 2014 die Leitung des Deutschen Herzzentrums Berlin übernommen. Welche Bilanz ziehen Sie nach Ihrem ersten dreiviertel Jahr?
Falk: Das Deutsche Herzzentrum hat sich unter meinem Vorgänger Roland Hetzer seit 1985 zu einem der weltweit bekanntesten und größten Herzzentren entwickelt. Diese große Aufbauleistung möchte ich natürlich fortführen - aber dabei auch neue Schwerpunkte setzen.
Neustart und Erbe bewahren – wie macht man das?
Falk: Es bedarf in der Tat etwas Fingerspitzengefühls, den Geist des Hauses zu bewahren und trotzdem neue Impulse zu geben. Genau darin liegt aber auch eine große Chance.
Was konkret haben Sie vor?
Falk: Das Berliner Kunstherzprogramm ist nach wie vor das größte weltweit. Wir wollen dieses Programm natürlich weiterführen, aber es zugleich auch wissenschaftlich noch stärker begleiten als bisher. Gemeinsam mit der Hochschulmedizin Zürich (HMZ) arbeiten wir am „Zurich Heart Project“, das inzwischen 13 interdisziplinäre Forschungsgruppen umfasst und das ich als Principal Investigator leite. Ziel dieses langfristig angelegten Projekts ist sowohl die Verbesserung bestehender Technologien als auch die Erforschung völlig neuer Konzepte für Kreislauf-Unterstützungssysteme. Einen weiteren Schwerpunkt meiner Arbeit sehe ich im Bereich der minimal-invasiven Operationstechniken, die sich auch an anderen Standorten sehr gut entwickelt haben. Hier wollen wir wieder einen Spitzenplatz einnehmen.
Darum wollen Sie bei den minimal-invasiven Operationen jetzt nachlegen?
Falk: Wir haben bereits ein umfangreiches minimalinvasives Programm für endoskopische Eingriffe an der Mitralklappe oder für Bypassoperationen auf die Beine gestellt. Die Klinik hat dafür einiges in die nötige medizintechnische Spezialausrüstung investiert, so dass wir bei dieser Schlüsseltechnologie wieder vorne mitspielen können.
Sie haben ja auch ein ganzes Team aus Zürich mitgebracht.
Falk: Das ist richtig. Dadurch konnten wir inzwischen sehr vielen Patienten minimalinvasive Operationsverfahren anbieten. Und die Nachfrage der zuweisenden Ärzte und der Patienten ist groß. Künftig werden wir natürlich auch weitere Ärzte auf diesem Gebiet ausbilden.
Bei Ihrem Amtsantritt war auch von einem biologischen Kunstherzen und kathetergestützten Herzklappeneingriffen die Rede. Sind das weitere Schwerpunkte?
Falk: Das biologische Kunstherz ist Teil der Züricher Innovationsoffensive und wird ein Forschungsschwerpunkt von mir bleiben. Im Kern geht es darum, die mechanische Oberfläche von Transplantaten durch eine biologische Lösung zu ersetzen. Das Projekt ist aber noch sehr weit von einer klinischen Anwendung entfernt. Anders die kathetergestützten Herzklappeneingriffe. Auf diesem Feld haben wir unser Personal verstärkt und einen zweiten Hybrid-OP in Betrieb genommen. Weil derartige Eingriffe momentan nur an Einrichtungen mit einer Herzchirurgie vorgenommen werden dürfen, kooperieren wir hier nicht nur mit der Charité, sondern auch mit den Vivantes-Kliniken. Das ermöglicht den Kollegen, diese Eingriffe bei uns durchzuführen. Die Entwicklung der katherterbasierten Klappeneingriffe begleiten wir übrigens auch mit experimentellen und präklinischen Studien.
Mit der Charité sind Sie ohnehin eng verflochten. Nach allem, was man so hört, soll die Zusammenarbeit künftig noch enger werden.
Falk: Darüber wurde mehrere Jahre verhandelt. Inzwischen gibt es einen Kooperationsvertrag, dem nur noch vom Aufsichtsrat der Charité zugestimmt werden muss. Dieser Vertrag sieht vor, dass die Charité ihre Herzchirurgie in Mitte langfristig aufgeben wird. Im Gegenzug wird es am DHZB außer der Kinderkardiologie keine bettenführende kardiologische Abteilung mehr geben. Dadurch wird es in den nächsten zwei Jahren zu einer Konzentration der Leistungen im Bereich der Kardiologie und Herzchirurgie kommen.
Geht es dabei ums Sparen oder um die Bündelung von Expertise?
Falk: In Deutschland gibt es - wie überall - gute Daten über die Volumen-Ergebnis-Beziehung, die dramatisch bessere Ergebnisse für größere Kliniken ausweisen. Deshalb sind wir überzeugt, dass wir mit dieser Konzentration Qualitätsverbesserungen für unsere Patienten erzielen können. Eine weitere Subspezialisierung ist außerdem nur in großen Abteilungen möglich, in kleinen geht das nicht.
Der Lehrstuhl für Herzchirurgie geht dann auch an Sie?
Falk: Bei meinen Vertragsverhandlungen habe ich darauf bestanden, dass das Herzzentrum an der Charité im Bereich Forschung und Lehre mit einer vollen Professur vertreten ist. Daher werde ich im Herbst die Nachfolge von Professor Konertz antreten, der dann in Ruhestand gehen wird. Davon abgesehen wird es demnächst an der Charité zwei neue Professuren mit kardiovaskulärem Schwerpunkt geben: eine im Bereich der regenerativen Medizin und die andere im Bereich der bildgestützten Therapie. Für beide Forschungsfelder sehe ich in dieser Stadt hervorragende Anknüpfungsmöglichkeiten.
Ein Pluspunkt für Berlin?
Falk: Berlin ist ein tolles Umfeld für die kardiovaskuläre Forschung, gar keine Frage. Besonders gefällt mir, dass wir hier zusammen mit Charité und MDC Teil des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislaufforschung sind. Das DZHK ermöglicht uns eine einmalige Infrastruktur.
Herzchirurgen kommen um das Thema Organspende und Transplantation nicht herum. Haben Sie eine Lösung für das Problem des Organmangels?
Falk: Dem Organmangel können wir im Moment gar nicht begegnen, außer mit dem mechanischen Kunstherzprogramm. Wichtig ist, dass man in diesem Bereich forscht, um die Komplikationen der derzeit verfügbaren Systeme zu senken – und genau das tun wir. Das Herzzentrum leitet zum Beispiel eine multizentrische Studie zum frühzeitigen Einsatz von Kunstherzsystemen, die vom DZHK finanziert wird.
Kurz bevor Sie nach Berlin kamen, hatte das DHZB ausgerechnet seinen ersten Transplantationsskandal. Meinen Sie, das Image hat dadurch gelitten?
Falk: Ich denke, wir müssen nach vorn schauen. Noch ermittelt die Staatsanwaltschaft und wird dabei von uns natürlich in vollem Umfang unterstützt. Wir haben darüber hinaus bereits alle Abläufe in der Transplantationsmedizin so transparent gemacht, dass sich solche Vorkommnisse nicht wiederholen können. Und das Lungentransplantationsprogramm am DHZB wurde gerade von der Bundesärztekammer evaluiert. Die Transplantationsmedizin ist sicher ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Aber wir wollen zeigen, welche großartigen Leistungen die Mitarbeiter des DHZB auch in den vielen anderen Bereichen der Herzmedizin erbringen, und zwar Tag für Tag.