Hüftgelenk-OP: Für den Langzeiterfolg ist Implantat-Modell wichtiger als OP-Methode
Für den Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks wünschen sich viele Patienten eine minimalinvasive Operation: ein Eingriff, der kleinstmögliche Schnitte in Haut und Weichteilen vorsieht. Tatsächlich belegen bislang vorliegende Studien Vorteile, vor allem in den ersten sechs Wochen nach der Operation.
Durch das Schonen von Muskeln, Sehnen und nervalen Strukturen leiden die Patienten weniger an Schmerzen und Bewegungseinschränkungen und kommen dadurch schneller wieder auf die Beine. Doch für den Langzeiterfolg spielt die Wahl des richtigen Implantatmodells eine größere Rolle als die OP-Methode. Darauf weist die AE Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik in einer Pressemitteilung hin.
Nicht jeder Patient für minimalinvasive OP geeignet
Dazu kommt: Die minimalinvasive Hüft-OP ist nicht für jeden Patienten geeignet: "Die Hüftgelenksgeometrie muss passen, der Patient sollte nicht zu kräftig bemuskelt und auch nicht zu adipös sein", erläutert Prof. Dieter C. Wirtz, Mitglied des AE-Präsidiums.
Zudem kommen, je nach den individuellen Voraussetzungen des Patienten, unterschiedlich geformte Prothesenmodelle zum Einsatz. Nicht alle von ihnen können durch einen minimalinvasiven Zugang - und mit der damit verbundenen eingeschränkten Sicht - implantiert werden.
Hüftgelenk-OP: Natürliche Lücken zwischen Muskeln genutzt
"Die einzelnen Operationsschritte mit der notwendigen Sorgfalt durchführen zu können, hat immer Vorrang", betont Wirtz, Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn.
Bei der minimalinvasiven OP nutzen Operateure die natürlichen Lücken zwischen den Muskeln, um zum Hüftgelenk zu gelangen: "Wir schieben Muskeln, Sehnen, Gefäße und Nerven weitest möglich zur Seite, anstatt sie, wie sonst üblich, zu durchtrennen und nachher wieder zu vernähen", erläutert Wirtz.
Bleiben Mechanorezeptoren intakt, kann Reha früher starten
Dies schone auch wichtige Nervenrezeptoren, die am Sehnen-Knochen- sowie am Sehnen-Muskel-Übergang sitzen. "Die sogenannten Mechanorezeptoren sorgen für die Tiefensensibilität und damit für Gangstabilität und Gleichgewichtsgefühl", so Wirtz. "Bleiben diese Strukturen bei der Prothesenimplantation intakt, können die Patienten nach dem Eingriff früher mit ihrer Rehabilitation beginnen."
Nach spätestens einem Jahr jedoch zeigen Untersuchungen keine Unterschiede mehr zwischen dem minimal-invasiven und dem klassischen, offenem Eingriff. Daher gilt: Bei allen Patienten, bei denen aufgrund ihrer individuellen Voraussetzungen ein minimalinvasiver und damit muskelschonender Zugang gewählt werden könne, sollte dieser auch angewendet werden, so der Orthopäde.
Hüftgelenk-OP: Für Langzeiterfolg Implantatmodell wichtiger
Übergeordnetes Ziel bei der Hüftgelenk-OP sei aber der Langzeiterfolg - und da ist das Implantatmodell wichtiger als die OP-Methode. Wo dieser eher mittels eines klassischen Zugangs gewährleistet sei, empfiehlt Wirtz, diesen vorzuziehen. Und ganz gleich, ob klassisch oder minimalinvasiv operiert werde: "Das Ziel eines jeden Operateurs sollte es sein, so gewebeschonend wie möglich zu operieren", bekräftigt Wirtz.
Währenddessen sorgt eine Recherche unter Beteiligung der Süddeutschen Zeitung, des NDR und des WDR für Beunruhigung: Danach werden weltweit immer mehr Tote und Verletzte im Zusammenhang mit fehlerhaften Medizinprodukten wie Implantaten und Prothesen gemeldet. In Deutschland habe sich die Zahl der Vorkommnisse in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht, in den USA sogar verfünffacht.
"Implant Files": Prüfer lassen kaum getestete Implantate zu
In der Recherche wird vor allem die Art der Zulassung von Implantaten bemängelt. Medizinprodukte benötigen hierzulande lediglich ein CE-Zertifikat von einer Prüfstelle wie TÜV oder Dekra. Die Hersteller dürften sich aussuchen, von welcher Stelle sie sich zertifizieren lassen und zahlten für den Dienst. Klinische Studien seien nicht nötig. Das Zertifizierungssystem sei lasch und extrem fehleranfällig, heißt es weiter in den "Implant Files".
Oft würden Geräte implantiert, die kaum oder gar nicht getestet wurden. Die meisten Studien würden von der Industrie finanziert. Wenn etwas schieflaufe, erfahren Patienten davon oftmals nichts. Die Behörden würden in den seltensten Fällen tätig - und die Medizinprodukte-Lobby blockiere jegliche Veränderung, so die Autoren.
Foto: pixelfreund/fotolia.com