HPV-Impfung erhöht MS-Risiko nicht
Da es sich bei der Multiplen Sklerose (MS) um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der das Immunsystem fehlgeleitet ist, stellen sich Betroffene immer wieder die Frage, ob Impfungen bei ihnen ratsam sind oder nicht. Die Sorge, dass die Stimulierung des Immunsystems durch eine Impfung einen Schub auslösen könnte, hält viele davon ab, sich beispielsweise gegen Grippe impfen zu lassen. Doch auch Patienten mit Multipler Sklerose können sich in vielen Fällen bedenkenlos impfen lassen.
Dies gilt offenbar auch für die Impfung gegen das humane Papilloma-Virus (HPV), das Gebärmutterhalskrebs auslösen kann und daher für alle Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren empfohlen wird. Bisher hatten viele Mädchen und Frauen Bedenken, dass die HPV-Impfung schädlich sein und Erkrankungen wie beispielsweise MS auslösen könnte, doch zwei große Studien geben nun Entwarnung.
MS-Erkrankungen und HPV-Impfungen stehen nicht in Zusammenhang
HPV ist für die häufigste sexuell übertragbare Infektion verantwortlich und kann zu Genitalwarzen, im weiteren Verlauf aber auch zu Gebärmutterhalskrebs führen. Seit 2006 gibt es einen Impfstoff, der gegen die häufigsten und gefährlichsten HPV-Typen wirkt. Doch schon kurz nach der Zulassung gab es mehrere Berichte, nach denen jeweils kurz nach einer HPV-Impfung MS-Erkrankungen ausgebrochen waren.
Um den Zusammenhang genauer zu untersuchen, werteten Epidemiologen um Nikolai Madrid Scheller vom Statens Serum Institut in Kopenhagen nun die Daten von fast vier Millionen Frauen im Alter zwischen 10 und 44 Jahren aus. 800.000 dieser Frauen waren gegen HPV geimpft worden. Die Forscher verglichen die Häufigkeit des Auftretens einer MS-Erkrankung vor und nach der Impfung. Es stellte sich heraus, dass von insgesamt 7622 neu aufgetretenen MS-Erkrankungen lediglich 163 in den ersten zwei Jahren nach einer HPV-Impfung aufgetreten waren. Vor der Impfung gab es durchschnittlich 22 MS-Erkrankungen pro 100.000 Personenjahre – nach der Impfung lag dieser Wert sogar niedriger, nämlich bei sechs MS-Erkrankungen pro 100.000 Personenjahre.
Diese Zahlen bedeuten allerdings nicht, dass der Impfstoff vor MS schützen würde. Das Ungleichgewicht kommt vielmehr dadurch zustande, dass sich MS und ähnliche Krankheiten bei Frauen meist erst im zweiten Lebensjahrzehnt entwickeln, während das Impfalter in der Regel zwischen 10 und 15 Jahren liegt. In einer Korrekturrechnung haben die Forscher ihre Zahlen deshalb entsprechend der natürlichen Altersverteilung bei MS angepasst. Die Wahrscheinlichkeit, nach einer HPV-Impfung an MS zu erkranken, erwies sich dann als genau so groß wie ohne Impfung.
Impfungen könnten Symptome beschleunigen
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie aus Südkalifornien. Annette Langer-Gould und ihr Team haben dafür sämtliche Krankenakten eines Versicherungsunternehmens aus den Jahren 2008 bis 2011 nach neurologischen Auffälligkeiten untersuchen lassen und mit den Daten von Impfungen gegen HPV und Hepatitis B verglichen. Dabei zeigte sich kein Zusammenhang zwischen einer Impfung und dem Risiko, innerhalb von drei Jahren eine demyelinisierende Krankheit wie beispielsweise Multiple Sklerose zu erleiden.
Möglich sei allerdings, dass bei Menschen mit einer bereits vorhandenen, aber noch nicht entdeckten MS-Erkrankung eine Impfung den Übergang zu sichtbaren Symptomen beschleunigen könne, erklärt Bernhard Hemmer, Direktor der Neurologischen Klinik der Technischen Universität München. „Solch ein Übergang kann auch durch jede natürliche Infektion – etwa mit Schnupfenviren – eingeleitet werden“, so Hemmer.
Die aktuellen Studienergebnisse kommentiert Professor Heinz Wiendl von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) so: „Wir Neurologen können Mädchen und jungen Frauen eine Impfung gegen das menschliche Papilloma-Virus HPV guten Gewissens empfehlen, denn der Schutz vor Gebärmutterhalskrebs wird nicht durch Erkrankungsrisiken des Nervensystems erkauft.“
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