Hohe Ärztedichte, aber riesiges regionales Gefälle
Bei der Ärztedichte steht Deutschland im internationalen Vergleich an der Spitze. Rein statistisch finden sich 451 Ärzte pro 100.000 Einwohner – das sind gegenüber 1990 rund 46 Prozent mehr. Eigenartig, wo doch vielerorts schon ein Ärztemangel spürbar ist. Der am Mittwoch in Berlin vorgestellte „Ärzteatlas 2015“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) liefert die Erklärung: Deutschland hat ein Verteilungsproblem. In attraktiven Regionen wie Berlin, Hamburg und Bremen gibt es im hausärztlichen Bereich sogar eine Überversorgung, also mehr als es in der Bedarfsplanung von Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen vorgesehen sind. Andere Landstriche etwa in Mecklenburg Vorpommern oder Niedersachsen sind dagegen unterversorgt. Überversorgte und unterversorgte Planungskreise halten sich laut Ärzteatlas die Waage.
Ärztedichte: Deutschland hat ein Verteilungsproblem
Laut dem Ärzteatlas soll es bei den Fachärzten sogar in fast allen Planungsbereichen einen Ärzteüberschuss geben. Fachinternisten gibt es demnach mehr als doppelt so viele wie benötigt und auch Chirurgen, Urologen, Orthopäden, Kinderärzte, Nervenärzte und Frauenärzte sind im Überschuss vorhanden.
Wer Monate auf einen Facharzttermin warten muss, darf sich wundern. Kann es sein, dass vielleicht mit der Bedarfsplanung etwas nicht stimmt? Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) ist dieser Meinung. „Auf der jetzigen Grundlage kann keine wissenschaftlich haltbare Aussage getroffen werden“, erklärte ZI-Geschäftsführer Dr. Dominik von Stillfried. Die derzeitige Bedarfsplanung bilde in keiner Weise die fortschreitende Ambulantisierung der Medizin ab. „Immer häufiger übernehmen niedergelassene Ärzte Behandlungen, für die Patienten früher im Krankenhaus liegen mussten“, sagte er. Der Trend zu mehr ambulanter Behandlung sei für Patienten nicht nur angenehmer und weniger belastend, sondern mache das Gesundheitssystem auch wirtschaftlicher.
Trend zur ambulanten Medizin
Diese Entwicklung kann heute schon in vielen Städten beobachtet werden. So versorgen Berliner Ärzte viele Patienten aus Brandenburg oder Mecklenburg Vorpommern. Auch in anderen Großstädten werden Patienten aus dem ländlichen Umland mitversorgt. „Die Alterung der Gesellschaft und die Abwanderung der Bevölkerung in Städte erfordern ein Umdenken in der Bedarfsplanung“, so von Stillfried.
Doch auch die Großstädte müssen sich langsam aber sicher darauf einstellen, dass die Dichte an Hausärzten abnehmen wird. Bundesweit sind 32 Prozent der Hausärzte 60 Jahre oder älter. Etwa die Hälfte aller in den Ruhestand gehenden Hausärzte findet heute schon keinen Nachfolger mehr. Besonders kritisch wird es dort, wo heute schon der Versorgungsgrad niedrig und der Altersanteil bei den Ärzten hoch ist.
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