HIV-Selbsttest bald frei verkäuflich - viele testen sich erstmals
Seit Oktober 2018 ist in Deutschland der HIV-Selbsttest frei verkäuflich. Der Bundesrat hat einer Änderung der Medizinprodukteabgabeverordnung zugestimmt. Die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) hatte sich lange für eine Freigabe stark gemacht. Denn der Selbsttest könnte dazu beitragen, ein dringendes Problem zu lösen.
Rund 13.000 Menschen in Deutschland wissen nichts von ihrer HIV-Infektion. Etwa die Hälfte aller HIV-Diagnosen in Deutschland erfolgt erst nach Jahren und damit deutlich zu spät. Mehr als 1.000 Menschen erkranken jährlich an Aids oder einem schweren Immundefekt, weil sie jahrelang nichts von ihrer HIV-Infektion wussten.
HIV-Selbsttest frei verkäuflich - viele testen sich erstmals oder häufiger
Manche Menschen scheuen jedoch den Gang in eine Arztpraxis oder etwa in eine Beratungsstelle. Sie schämen sich zum Beispiel oder fürchten, für ihr sexuelles Verhalten verurteilt zu werden. Andere schieben den Test vor sich her. Der HIV-Selbsttest macht den entscheidenden Schritt leichter. Viele testen sich erstmals oder häufiger. Das zeigen Studien und Erfahrungen in anderen Ländern wie Frankreich und Australien.
Die Erkrankung ist mit einer rechtzeitigen Diagnose vermeidbar. Menschen mit HIV haben heute eine fast normale Lebenserwartung und können leben wie alle anderen Menschen. Um den bestmöglichen Effekt zu erzielen, sollte eine HIV-Infektion so früh wie möglich behandelt werden, heißt es weiter in einer Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe. Erhältlich sind die Selbsttests in Apotheken, Drogerien oder dem Internet.
HIV-Selbsttest wird Infektionen und Erkrankungen verhindern
Sylvia Urban vom Vorstand der DAH: "Der HIV-Selbsttest wird zahlreiche Aids-Erkrankungen und HIV-Infektionen verhindern. Die freie Verfügbarkeit senkt die Hemmschwelle und ermöglicht so mehr Menschen eine frühe Diagnose und damit eine Behandlung. Unter Therapie ist HIV auch nicht mehr übertragbar."
Ein Test ist immer dann angebracht, wenn die Möglichkeit besteht, sich mit HIV infiziert zu haben. Schwulen Männern und anderen Menschen mit einem statistisch erhöhten HIV-Risiko rät die Deutsche Aids-Hilfe zu einem jährlichen Routine-Check.
HIV-Selbsttest erst drei Monate nach Risiko-Situation aussagekräftig
Wer den Selbsttest machen möchte, sollte ausschließlich Produkte verwenden, die für die Anwendung durch Laien konzipiert und zugelassen sind und das CE-Zeichen tragen. Darüberhinaus sollten sie eine Sensitivität von annähernd 100 Prozent besitzen. Die Produkte sind auf der Webseite der Deutschen Aids-Hilfe gelistet. Tests auf der Basis von Blut sind zuverlässiger als Speichel- oder Urin-Tests, heißt es auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Das führt empfohlene Tests jeweils mit Gebrauchsweisung, schriftlich oder als Video-Tutorial, auf.
Die Anwendung der Blut-Tests ist etwas knifflig, die Anleitung muss daher gut verstanden sein, um den richtigen Ablauf einzuhalten. Bei einer HIV-Infektion entwickelt das Immunsystem Antikörper, die gegen das HI-Virus gerichtet sind. Der Selbsttest weist genau diese Antikörper nach. Das Ergebnis steht nach einer Viertelstunde fest. Dabei ist zu beachten: Die Antikörper-Konzentration ist erst drei Monate nach der Risiko-Situation so hoch, dass sie sich nachweisen lassen. Daher kann der Test erst zwölf Wochen danach eine HIV-Infektion anzeigen oder ausschließen.
HIV-Selbsttest: Achtung für Patienten, die PreP oder PEP einnehmen
Es gibt Medikamente, die vorbeugend gegen eine HIV-Infektion eingenommen werden können (HIV-Prophylaxe). Man unterscheidet zwischen Präexpositionsprophylaxe (PrEP), die vor einem HIV-Infektionsrisiko eingeommen wird und der Postexpositionsprophylaxe (PEP), die nach einem HIV-Infektionsrisiko eingenommen wird.
Diese Medikamente können nicht in 100 Prozent der Fälle eine Infektion verhindern. Es ist außerdem möglich, dass die Einnahme solcher Medikamente ein negatives Ergebnis im HIV-Selbsttest bewirkt trotz einer Infektion. Bei der Einnahme der PrEP oder PEP sollten ein Arzt, eine Beratungsstelle oder die lokalen AIDS-Hilfe aufgesucht werden.
HIV-Selbsttest: Was tun bei positivem Ergebnis?
Positive Ergebnisse müssen mit einem weiteren Test in der Arztpraxis bestätigt werden. Liegt eine HIV-Infektion vor, sollte man sich so schnell wie möglich an eine darauf spezialisierte Praxis wenden. Die Deutsche Aids-Hilfe bietet anonyme Beratung per Telefon, Mail und Chat an.
Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass Menschen mit einem positiven Testergebnis sich in der Regel rasch in medizinische Versorgung begeben und Rat suchen. Dramatische Überreaktionen wie Suizidversuche sind ausgeblieben. "Die wichtigste Botschaft lautet: Im Zweifel ein HIV-Test. Der Test sorgt für Klarheit. Bei einem positiven Ergebnis hilft die Beratung der Deutschen Aidshilfe und der schnelle Zugang zu einer Behandlung wird möglich", betont DAH-Vorstand Sylvia Urban.
Bis 2020 soll es in Deutschland keine Spätdiagnosen mehr geben
Der HIV-Selbsttest wird aber das Problem der Spätdiagnosen nicht vollständig lösen können, meint DAH-Vorstand Sylvia Urban. "Viele Menschen haben Angst davor, abgestempelt zu werden, wenn der Test positiv ausfällt. Die wichtigste Maßnahme gegen Aids ist deswegen das Engagement gegen Ablehnung, Schuldzuweisungen und Diskriminierung. Wichtig ist auch die Botschaft, dass man mit HIV heute gut leben kann. Denn viele Menschen haben noch die Schreckensbilder alter Tage im Kopf und verdrängen das Thema deswegen", so Urban.
Hinzu kommt, dass viele Ärzte im entscheidenden Moment nicht daran denken, einen HIV-Test anzubieten, weil HIV in ihrem Praxisalltag selten vorkommt oder das Gespräch über Sexualität ihnen schwerfällt. Die Kampagne "Kein Aids für alle - bis 2020!" der Deutschen Aids-Hilfe arbeitet auf vielfältigen Wegen daran, dass es in Deutschland bald keine Spätdiagnosen mehr gibt.
HIV-Selbsttest: Probleme beim Ablesen melden
Bei einem negativem Testergebnis gibt es keinen Anhaltspunkt für eine HIV-Infektion. Aussagekräftig ist das Ergebnis allerdings nur, wenn die Zeitspanne zwischen möglichem Infektionszeitpunkt und Test größer als 12 Wochen ist. Ansonsten ist es möglich, dass ein negatives Testergebnis angezeigt wird, obwohl eine Infektion vorliegt.
Gibt es Probleme bei der Durchführung oder dem Ablesen des Ergebnisses, sollten Nutzer das an den Hersteller melden. Der Hersteller muss solche Vorkommnisse bewerten und eventuell weitermelden. Wer kein Testergebnis ablesen kann oder nachweisbare Zweifel an der Richtigkeit des Testergebnisses hat, kann sich mit einem Meldeformular auch direkt an das Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, wenden.
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