Infolge des Klimawandels werden auch urologische Erkrankungen zunehmen. Davor warnt die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) mit Blick auf wiederkehrende Hitzeperioden. „Die gesundheitlichen Folgen häufigerer Extremhitze und höherer Durchschnittstemperaturen beschränken sich nicht allein auf die Zunahme von Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Infektionserkrankungen. Sie erhöhen ebenso die Risiken für urologische Erkrankungen, angefangen bei Harnsteinen bis hin zu schweren Nierenschädigungen“, sagt Prof. Dr. Dr. Jens Rassweiler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU).
Wasser- und Elektrolythaushalt beeinträchtigt
„Durch hitzebedingte Austrocknung des Körpers wird der Wasser- und Blutsalz-Haushalt beeinträchtigt und führt zur Abnahme der Nierenfunktion. Die daraus folgende Volumendepletion und Hyperosmolarität begünstigen häufigere Steinbildungen“, so Prof. Dr. Joachim Steffens, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. Empirische Daten legen auch nahe, dass hitzebedingt Risiken für postoperative Wundinfektionen zunehmen werden. „Gegenwärtig sehe ich für Deutschland jedoch noch keine Notwendigkeit, bestimmte urologische Operationen in kühlere Monate zu verlagern“, so Steffens weiter.
Für die Nieren ist es eine besondere Herausforderung, unter extremen Hitzebedingungen Blutsalze und Wasser im Körper zu konservieren und bezüglich Menge und Konzentration in einem Gleichgewichtszustand zu halten. Gelingt dies nicht, verliert der Körper wichtige Stoffe und der renale Blutfluss nimmt ab. Dazu kommt eine maximale Stimulation des antidiuretischen Hormons (ADH), um Wasser zu konservieren. Diese Mechanismen können an der Entstehung einer akuten Nierenschädigung, kurz AKI (acute kidney injury), beteiligt sein.
Durch Hitze häufiger Nierensteine
„Die Wasserkonservierung wird über eine maximale Konzentrierung des Urins durch ADH erreicht. Bei dem dadurch reduzierten Urinfluss werden aufsteigende Infektionen im Harntrakt begünstigt. Darüber hinaus wird im hochkonzentrierten Urin die Steinbildung (Urolithiasis) gefördert“, sagt Prof. Dr. Ralph Kettritz, Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Erste Daten der nationalen US-Wissenschaftsakademie weisen bereits auf eine Ausweitung des hitzebedingten Nierenstein-Risikogürtels in nördlichere Breiten der USA hin.
Zunahme männlicher Unfruchtbarkeit?
Auch die Frage nach einem Zusammenhang zwischen steigenden Durchschnittstemperaturen und einer Zunahme der Infertilität unter Männern beschäftigt die Urologen. Prof. Dr. Steffens erklärt: „Eine erhöhte Umgebungstemperatur der den Samen produzierenden Hoden vermindert die Spermienqualität und kann dadurch die männliche Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen.“ Wissenschaftliche Daten zur Frage, ob dies auch in Folge des Klimawandels eine Rolle spielt, gibt es bislang jedoch kaum.
„Es gibt noch keine systematische Forschung zu Einflüssen der Erderwärmung auf Erkrankungen des Harntraktes und der männlichen Geschlechtsorgane“, moniert Steffens. Er regt daher die Bildung interdisziplinärer Forschungsverbünde wie etwa mit der Nephrologie an, um Wissen über die urologischen Folgen des Klimawandels zu generieren.
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