
Positive Effekte auf Gedächtnis und Konzentration: Nasenatmung beeinflusst Hirnwellen in verschiedenen Hirnarealen – Foto: aijiro - Fotolia
Bewusst durch die Nase atmen – Anhänger von Yoga und anderen Entspannungstechniken schwören darauf. Der Nasenatmung wird nämlich nicht nur eine entspannende Wirkung nachgesagt, auch die Konzentrationsfähigkeit und das Reaktionsvermögen sollen sich verbessern. Hirnforscher haben nun möglicherweise eine wissenschaftliche Erklärung dafür gefunden: Bei Mäusen und Ratten entsteht bei der Nasenatmung ein elektrischer Hirnrhythmus, an den schnelle Hirnwellen gekoppelt sind. Diese so genannten Gamma-Oszillationen werden mit Aufmerksamkeits- und vielen Gedächtnisprozessen in Verbindung gebracht. „Der Nachweis, dass die Nasenatmung die Gamma-Oszillationen beeinflussen kann, gibt wichtige Hinweise darauf, dass sich die Atmung auf kognitive Funktionen auswirkt", sagt Prof. Andreas Draguhn vom Universitätsklinikum Heidelberg, der die Studie gemeinsam mit Hirnforschern aus Brasilien durchführte.
Nasenatmung wirkt bis in den Hippokampus
Erstaunlicherweise löste der Atemrhythmus bei den Tieren die Hirnwellen in den verschiedensten Hirnarealen aus. Dazu gehörten die präfrontale Hirnrinde, die zum Beispiel an Entscheidungsfindungen beteiligt ist, sowie der Hippokampus, eine Region, die für räumliche Navigation und Gedächtnisbildung wichtig ist. Bisher wurde angenommen, dass die atemsynchronen Wellen ausschließlich in Hirnbereichen auftreten, die auf Riechen und Schnüffeln spezialisiert sind.
Die neue Studie hat nun erstmals anderes gezeigt. Unklar ist allerdings noch, inwieweit sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen. Und auch die Frage, warum nur die Nasen-, aber nicht die Mundatmung das Gehirn derart beeinflusst, ist noch nicht beantwortet. Die Wissenschaftler vermuten, dass es nur in der Nase Sinneszellen gibt, die auf Bewegung reagieren - also auf den Luftzug beim Atmen. „Diese Sinneszellen leiten den Reiz dann als rhythmisches Signal über den Riechkolben ins Gehirn weiter", vermutet Dr. Jurij Brankačk vom Hirnforschungsinstitut in Natal, Brasilien.
Gamma-Oszillationen mit EEG messbar
Bei Oszillationen handelt es sich um elektrische Schwingungen, die mit dem EEG gemessen werden können. Sie entstehen, wenn sich Gruppen von Neuronen auf einen gleichen Takt einschwingen - vergleichbar mit einem Konzertpublikum, das chaotisch beginnt, aber schließlich rhythmisch klatscht. Warum schnelle an langsame Wellen gekoppelt sind, erklärt Hirnforscher Brankačk so: Der Sinn der Kopplung könnte eine zeitliche Koordinierung der örtlich begrenzten, schnellen Wellen durch die langsamen Wellen über weite Hirnbereiche sein. "Lernen, Gedächtnis und Handlungsentscheidungen sind in verschiedenen Hirnstrukturen angesiedelt und erfordern die zeitliche Koordinierung der Aktivität mehrerer Hirngebiete“, sagt er. Die Forschung stehe hier jedoch noch am Anfang. „Aktuelle haben wir nur Hypothesen davon, was die Befunde funktionell bedeuten könnten.“
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