Hepatitis-E-Viren können in Keimdrüsen des Hodens schlummern

Fund unter dem Mikroskop: Hepatitis-E-Viren überleben im Ejakulat chronisch-infizierter Patienten – Foto: Foto: © Adobe Stock/ shevchukandrey
Das Hepatitis-E-Virus (HEV) gehört eigentlich zu den harmloseren Hepatitisviren. In den meisten Fällen heilt die Virusinfektion von selbst wieder aus und alles ist gut. Bei Patienten, deren Immunsystem beispielsweise wegen einer Transplantation unterdrückt wird, kann die HEV-Infektion jedoch chronisch verlaufen und bereits nach wenigen Jahren zu einer Leberzirrhose führen.
Patienten mit einer chronischen HEV-Infektion bekommen deshalb antivirale Medikamente. Doch manchmal flammt die Infektion wieder auf. Warum das so ist, das haben Infektionsforscher vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) jetzt untersucht. Mittels Elektronenmikroskopie, Polymerase-Kettenreaktion, Dichtezentrifugation und Genomsequenzierung wurde das Blut, der Urin, Stuhl und das Ejakulat von insgesamt neun Hepatitis-E-Patienten auf Hepatitis-E-Viren überprüft. In der Studiengruppe befanden sich drei immunsupprimierte Patienten mit einer chronischen Virushepatitis E und sechs weitere Probanden mit einem intakten Immunsystem und einer akuten Hepatitis-E-Infektion.
Reaktivierung der HEV-Infektion
Die Ergebnisse: Bei zwei der drei chronisch-infizierten Patienten fand sich im Ejakulat eine erheblich höhere Viruslast als im Blut. Unter Therapie mit dem antiviralen Medikament Ribavirin konnten keine Hepatitis-E-Viren mehr im Blut nachgewiesen werden, im Ejakulat hingegen schon. Im weiteren Verlauf stieg die Viruslast in Serum, Ejakulat und Stuhl wieder rapide an – ein möglicher Hinweis auf eine den ganzen Körper betreffende Reaktivierung der Hepatitis-E-Infektion, vermuten die Forscher. Im Gegensatz dazu befand sich bei keinem der sechs immunkompetenten Patienten mit einer akuten Hepatitis E das HEV im Ejakulat, einem möglichen Virusreservoir.
Blut-Hoden-Schranke erweist sich als Nachteil
„Die Evolution hat hervorgebracht, dass die Blut-Hoden-Schranke für Zellen des Immunsystems und Schadstoffe undurchlässig ist“, erklärt Sven Pischke, Infektionsforscher am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Wenn sich Patienten mit geschwächter Immunabwehr mit Hepatitis E infizieren, kann das Virus die Schranke ungehindert passieren und in den männlichen Keimdrüsen verweilen. In diesem Fall ist die Blut-Hoden-Schranke von Nachteil für die Patienten, denn Immunzellen können nicht in die Hoden vordringen, um die Krankheitserreger dort zu bekämpfen“, so Pischke weiter.
Übertragung über Sperma scheint möglich
Die aktuelle Studie wurde im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt. Im Journal of Hepatology wurden die Ergebnisse veröffentlicht.
Die neuen Erkenntnisse werfen die Frage auf, ob chronisch-infizierte Hepatitis-E-Patienten über das Ejakulat auch infektiös für ihre Sexualpartnerinnen oder -partner sind. Dieser Frage wollen die Forscher jetzt in Tierversuchen nachgehen. Normalerweise erfolgt die Übertragung durch kontaminiertes Wasser oder durch verunreinigte Lebensmittel, zum Beispiel über den Verzehr von unzureichend gegartem Schweine- oder Wildfleisch.