Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Helfen Grünlippmuscheln bei Gelenkerkrankungen?

Samstag, 9. Februar 2019 – Autor: Anne Volkmann
Extrakte der Grünlippmuschel sollen gegen Gelenkerkrankungen wie Arthritis oder entzündlich aktivierte Arthrose helfen. Doch Studien konnten die Wirksamkeit bisher nicht belegen. Zudem können Grünlippmuschelprodukte mit Schadstoffen belastet sein.
Grünlippmuscheln, Gelenkschmerzen, Arthrose, Arthritis

Angeblich sollen Grünlippmuscheln bei Erkrankungen wie Arthritis helfen – Foto: ©tunedin - stock.adobe.com

Grünlippmuschelkapseln, -tabletten oder -pulver enthalten gefriergetrocknetes pulverisiertes Muschelfleisch oder entsprechende Extrakte aus der Grünschalmuschel (Perna canaliculus). Diese Miesmuschelart, die auch Grünlippmuschel genannt wird, ist in den Gewässern um Neuseeland beheimatet und wird dort zudem im großen Maßstab in Aquakulturen gezüchtet.

Die Muscheln enthalten Glykosaminoglykane, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Vitamine und Aminosäuren sowie Fette, Omega-3-Fettsäuren und Cholesterin. Bei Glykosaminoglykanen handelt es sich um langkettige Aminozuckerverbindungen, die auch in der Gelenkflüssigkeit vorkommen. Omega-3-Fettsäuren wiederum sollen entzündungshemmend wirken. Daher vermuten viele Menschen, dass die Präparate ihre Gelenkschmerzen bekämpfen können.

Anbieter versprechen anti-entzündliche Wirkung

Wer nach einer natürlichen Therapie gegen Gelenkschmerzen sucht, stößt daher bei seiner Recherche schnell auf Präparate mit Grünlippmuschelextrakten. Sie sollen gegen Arthritis bzw. aktivierte Arthrose helfen. Viele Menschen verwenden sie auch bei Gelenkschmerzen ihrer Haustiere wie Pferde, Hunde und Katzen. Häufig enthalten die Produkte noch weitere als angebliche „Gelenkschmiere“ beworbene Substanzen wie Haifischknorpelextrakt, Curcumin, Chondroitin und Glucosamin. Dennoch ist die Wirksamkeit der Produkte fraglich.

Berühmt wurde die Grünschal- oder Grünlippmuschel, als Forscher in den 1960er Jahren meinten, herausgefunden zu haben, dass die Maori an Neuseelands Küste sehr viel seltener rheumatische Gelenkerkrankungen aufwiesen als ihre Stammesgenossen im Landesinneren. Dies wurde auf den hohen Verzehr der Grünlippmuscheln in den Küstenregionen zurückgeführt.

Keine überzeugenden Wirkungsnachweise für Grünlippmuscheln

Die Verbraucherzentralen betonen jedoch, dass sich der hohe Verzehr frischer Muscheln nicht mit der Einnahme von Kapseln und Pulvern aus Muschelextrakten vergleichen lasse. Darüber hinaus zeigen Gesundheitserhebungen der neuseeländischen Regierung, dass erwachsene Maori in Bezug auf chronische Erkrankungen wie Arthritis zum Teil sogar schlechter abschneiden als andere Bevölkerungsgruppen.

Die wenigen vorliegenden Studien mit Grünlippmuschelextrakt zur Vorbeugung von Gelenkbeschwerden gelten zudem als wissenschaftlich nicht überzeugend. Häufig, so die Verbrauchzentralen, sind sie von minderer Qualität, haben eine niedrige Teilnehmerzahl und liefern widersprüchliche Ergebnisse.

EFSA sieht keinen Wirkzusammenhang mit Gelenkbeschwerden

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) lehnte daher verschiedene von Anbietern beantragte gesundheitsbezogene Angaben für Grünlippmuschelextrakte ab. Bisher konnte die Behörde aufgrund der vorgelegten Studien keinen Wirkzusammenhang zwischen der Einnahme von Grünlippmuschelprodukten und Gelenkerkrankungen erkennen. Auch die Natural Standard Research Collaboration, die sich ebenfalls um objektive evidenzbasierte Analysen bemüht, sieht für eine positive Wirkung von Grünlippmuschelpräparaten bei Patienten mit rheumatoider Arthritis keine stichhaltigen Belege.

Zu bedenken ist auch, dass Grünlippmuschelprodukte nur als Nahrungsergänzungsmittel vorliegen. Im Gegensatz zu Arzneimitteln wird für sie keine behördliche Zulassung benötigt, um sie auf den Markt zu bringen, und es müssen keine Wirksamkeits- und Sicherheitsnachweise vorgelegt werden. Wie alle Lebensmittel enthalten die Grünlippmuschelprodukte daher auch keine definierten, standardisierten Extrakte. Dies wird ebenfalls von der EFSA bemängelt. Dadurch sind Studiennachweise für jedes einzelne Produkt mit seinem speziellen Extrakt Voraussetzung, um mit einer bestimmten Wirksamkeit werben zu dürfen. Handelt es sich um Kombinationen mit anderen in ihrer Zusammensetzung ebenfalls nicht einheitliche Stoffe wie Curcumin, Glucosamin usw., wären Wirksamkeitsstudien für jedes einzelne Produkt nötig.

Grünlippmuschelprodukte können mit Toxinen belastet sein

Wer dennoch testen möchte, ob sich Grünlippmuschelprodukte positiv auf seine Gelenkerkrankungen auswirken, sollte dabei einiges beachten. Da die Muscheln mit verschiedenen Algentoxinen (giftigen Stoffwechselprodukten der Algen, z.B. Mikrocystinen) belastet sein können, sollte man sich vor Verwendung eines Präparats Laboranalysen vorlegen lassen. Die Verbrauchzentralen raten, dass diese Analysen von einem deutschen Labor sein und eine geringe oder am besten gar keine Belastung mit Algentoxinen belegen sollten.

Grundsätzlich sollte eine Therapie von Gelenkbeschwerden mit einem Arzt besprochen werden. Ausreichend Bewegung sowie eine fleischarme, pflanzenbetonte Ernährung können die Therapie unterstützen. Hochwertige Öle mit hohen Mengen an Omega-3-Fettsäuren (Lein-, Walnuss- und Rapsöl) sowie Nüsse und ein bis zwei Seefischmahlzeiten pro Woche werden ebenfalls empfohlen.

Foto: © tunedin - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Gelenkschmerzen , Rheuma , Komplementärmedizin

Weitere Nachrichten zum Thema Rheuma

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin