Kinder brauchen für Wachstum und Entwicklung eine abwechslungsreiche Ernährung. Dass man in Deutschland für knapp drei Euro am Tag, keinen gesunden Speiseplan mit frischem Obst und Gemüse und Milchprodukten zusammenstellen kann, dürfte jedem klar sein. Doch Kindern, die von Harzt IV leben müssen, stehen gerade mal 2,77 Euro am Tag fürs Essen zur Verfügung. Das ist der Satz für Kinder bis zum 6. Lebensjahr. Für 6- bis 14-jährige gibt es 3,93 Euro, also gut einen Euro mehr. „Der Hartz IV-Satz für die tägliche Ernährung liegt deutlich unter dem, was man für eine gesunde Ernährung rechnen muss“, erklärt Ernährungswissenschaftler Prof. Jan Frank, Präsident der Society of Nutrition and Food Science (SNFS). Betroffen seien vor allem Kinder alleinerziehender Mütter mit Hartz IV-Bezug, also derzeit 2,1 Millionen Kinder unter 15 Jahren.
Leere Kalorien machen dick
Hungerleiden müssen die Kinder zwar nicht. Aber billiges Essen enthält kaum Vitamine, Minerale und Spurenelemente. Untersuchungen zeigen, dass die Qualität eines Lebensmittels, also die Menge an enthaltenen Mikronährstoffen, mit sinkendem Preis abnimmt, während der Energiegehalt zunimmt. Wissenschaftler sprechen auch von leeren Kalorien.
Die Folgen für die Kinder seien fatal, meint Prof. Hans Konrad Biesalski, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim „Es drohen Entwicklungsstörungen, die nicht nur das körperliche Wachstum, sondern auch die geistige Entwicklung betreffen.“ Zudem komme es zum Phänomen des ‚double burden‘: Übergewicht bei unzureichender Versorgung mit Mikronährstoffen.
Entwicklungsstörungen vorprogrammiert
Studien zeigen, dass Übergewicht bei Kindern aus armen Verhältnissen in Deutschland dreimal häufiger anzutreffen ist als bei Kindern aus Familien mit gutem Einkommen. Zudem zeigt eine Studie aus Brandenburg, dass Kinder aus armen Familien kleiner sind. Für Biesalski ist das ein Hinweis auf eine Wachstumsstörung, wie sie vor allem bei einer Ernährung mit zu wenigen Mikronährstoffen zu beobachten ist. Internationale Studien zeigen außerdem, dass Kinder aus Ländern mit hohen Einkommen, die dort in Armut leben, häufiger Entwicklungsstörungen des Gehirns haben. „Besonders betroffen sind Hirnteile, die mit der Entwicklung und dem Gebrauch von Sprache zu tun haben“, erläutert Prof. Dr. Biesalski. Die Einschulungsuntersuchungen des Landes Brandenburg passten in dieses Bild, erklärt der Ernährungsmediziner: „Entwicklungsstörungen der Sprache treten dort bei Kindern aus armen Familien 15-mal häufiger auf als bei Kindern in finanziell gesicherten Verhältnissen.“
Die Warnung der Wissenschaftler an die Politik fällt eindeutig aus: „Rund 4 Euro am Tag sind nötig um eine gesunde Ernährung für Kinder unter 6 Jahren zu gewährleisten“, betont Prof. Dr. Frank. Eine Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes sei daher unumgänglich, um den Teufelskreis aus Übergewicht und Unterernährung zu durchbrechen.
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