Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Halbseitige Gesichtslähmung nach Covid-Impfung - was ist dran?

Mittwoch, 14. April 2021 – Autor:
Halbseitige Gesichtslähmungen werden immer wieder als vermeintliche Nebenwirkung der mRNA-Impfstoffe gemeldet. Führende Neurologen sehen zwar keinen ursächlichen Zusammenhang. Doch Zweifel bleiben.
mRNA-Impfstoffe stehen unter Verdacht, Fazialisparesen auszulösen. Covid-19 aber ebenfalls und deutlich häufiger

mRNA-Impfstoffe stehen unter Verdacht, Fazialisparesen auszulösen. Covid-19 aber ebenfalls und deutlich häufiger – Foto: © Adobe Stock/Kateryna Kon

Schon in den Zulassungsstudien der mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna traten nach der Impfung Fälle von halbseitigen Gesichtslähmungen auf, und zwar bei 8  von insgesamt 68.000 Studienteilnehmern. Real-World-Daten aus Israel zeigen, dass neun Menschen nach der Impfung mit dem BioNtech-Vakzin eine idiopathische Faszialisparese erlitten. Idiopathisch bedeutet ohne erkennbare Ursache wie etwa eine Verletzung oder ein Schlaganfall. Auch dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) liegen entsprechende Meldungen aus Deutschland vor.

RKI hält ursächlichen Zusammenhang für möglich

Im Aufklärungsmerkblatt zu mRNA-Impfstoffen des Robert Koch-Instituts (RK) wird die Faszialisparese als mögliche Nebenwirkung bzw. Impfkomplikation an erster Stelle erwähnt. In allen Fällen habe sich die Gesichtslähmung nach einigen Wochen zurückgebildet, heißt es dort. Und weiter: „Diese Gesichtslähmungen stehen möglicherweise im ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung.“ Ob dies tatsächlich der Fall sei, werde weiter untersucht.

Während das RKI also einen ursächlichen Zusammenhang für möglich hält, hält ihn die Deutsche Gesellschaft für Neurologie eher für unwahrscheinlich. Im Hinblick auf Fazialisparesen rechtfertige die jetzige Datenlage keine Skepsis gegenüber den SARS-CoV-2-Impfstoffen, teilt die Fachgesellschaft in einer aktuellen Stellungnahme mit.

Fazialisparesen treten häufig nach Virusinfektionen auf

Wie kommen die Neurologen zu ihrer Einschätzung, die auch vom PEI geteilt wird? Die allgemeine Häufigkeit von Gesichtsnervlähmungen wird mit 7 bis 40 Fällen pro Jahr auf 100.000 Einwohner angegeben. „Insofern sind die insgesamt acht Fälle, die in den beiden Studien mit 68.000 Teilnehmern beobachtet wurden, noch kein alarmierendes Signal, zumal Fazialisparesen ohnehin gerade Saison haben“, erklärt DGN-Generalsekretär Professor Peter Berlit. Denn plötzliche Gesichtslähmungen würden häufig von viralen Infekten ausgelöst, die verstärkt im Frühling und Herbst auftreten. Weitere Risikofaktoren seien Bluthochdruck und Diabetes. Da vier von neun Betroffenen in Israel an Bluthochdruck litten, sehen die Neurologen ihre Skepsis am ursächlichen Zusammenhang bestätigt.

Risiko durch Corona-Infektion größer als durch die Impfung

Bei Covid-Patienten ist sich die Fachgesellschaft dagegen ziemlich sicher, dass das Virus eine Faszialparese verursachen kann. In Norditalien war das Auftreten von Gesichtslähmungen während der ersten Welle im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um 60 Prozent angestiegen. In der Türkei fanden sich bei jedem fünften Betroffenen Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut. Neurologe Berlit schlussfolgert aus den Daten. „Wie Herpes simplex-, Gürtelrose- oder Erkältungsviren kann auch SARS-CoV-2 offensichtlich Fazialisparesen triggern“, und zwar wahrscheinlich deutlich häufiger als die Impfung gegen das Virus. Die Impfung könne, so Berlit ein möglicher Auslöser für die Entwicklung von Fazialisparesen sein, „sie sind nach jetzigem Kenntnisstand aber nicht ursächlich.“

Was auch immer der Unterschied zwischen einem Auslöser und einer Ursache sein soll: Wichtig zu wissen ist, dass das Risiko für eine Faszialisparese durch eine Corona-Infektion größer ist als durch eine Impfung. Und dass sich Faszialisparesen in 95 Prozent der Fälle nach vier Wochen wieder von alleine zurückbilden.

Hauptkategorien: Corona , Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Coronavirus , Impfen , Neurologie

Weitere Nachrichten zum Thema mRNA-Impfstoffe

31.10.2020

In der Corona-Pandemie werden Impfstoffe entwickelt, die gleich in doppelter Hinsicht neu sind: erstens, weil sie gegen ein neuartiges Virus wirken sollen; zweitens, weil es hier um eine völlig neue Generation von Impfstoffen geht. Ein Beispiel dafür: der mRNA-Impfstoff.

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Der Schlaganfallexperte Dr. Ingo Schmehl über die kurze Zeitspanne für die Akuttherapie und warum viele Patienten ihren Schlaganfall verschlafen.
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin