Häufige Wadenkrämpfe: Chinin kann helfen

Wenn Wadenkrämpfe häufig auftreten, kann dies die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – Foto: ©schwede-photodesign - stock.adobe.com
Viele Menschen kennen sie: Wadenkrämpfe. Besonders in der Nacht werden die Betroffenen davon geplagt, aber auch tagsüber können die schmerzhaften Krämpfe auftreten. Die üblicherweise empfohlenen Maßnahmen – Dehnen und die Einnahme von Magnesium – führen nicht bei allen Patienten zum Erfolg. Bei Menschen, die unter häufigen, langanhaltenden und stark schmerzenden Wadenkrämpfen leiden, können stattdessen Chininpräparate zum Einsatz kommen. Das teilt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie mit. In einer aktuellen Studie erwies sich die Einnahme von Chinin als wirksam und nebenwirkungsarm.
Ursache von Wadenkrämpfen ist Veränderung der Nervenimpulse
Anders, als die meisten Menschen denken, ist ein Wadenkrampf kein muskuläres Problem, sondern ein neurologisches. Ausgelöst werden die Muskelkrämpfe durch spontane Depolarisierungen der Nervenmembranen. Es bilden sich Aktionspotenziale aus, also Nervenimpulse, die dann zu einem „Erregungssturm“ im Muskel führen.
Treten zusätzlich Elektrolytverschiebungen auf, kann das Reizbarkeit der Nerven, die den Muskel umgeben, erhöhen und so die Entstehung von Krämpfen begünstigen. Das könnte auch der Grund sein, warum mehr Menschen im Sommer Wadenkrämpfe bekommen, denn im Sommer tritt aufgrund des Flüssigkeitsverlusts häufiger ein Elektrolytmange auf.
Erkrankungen, Medikamente oder Alkohol als mögliche Auslöser
Es gibt aber noch weitere Risikofaktoren: Ist beispielsweise die aus Myelin bestehende Schutzschicht der Nervenfasern geschädigt, ist das Risiko für die krampfauslösenden Impulsentladungen höher. Eine solche Demyelinisierung kann durch unterschiedliche Erkrankungen wie beispielsweise eine diabetische Polyneuropathie, aber auch Multiple Sklerose oder Schilddrüsenerkrankungen hervorgerufen werden. Auch verschiedene Medikamente, Alkohol oder Vitamin B-Mangel können zu einer Überreizung führen.
Im Akutfall die Muskeln dehnen
Andere Auslöser für Wadenkrämpfe sind mechanischer Natur: Senkt man die Zehenspitzen nach unten, so dass sich der Wadenmuskel verkürzt, kann es leichter zu Wadenkrämpfen kommen. „Warum das so ist, wissen wir nicht genau. Es ist wahrscheinlich so, dass durch Gewebsverschiebungen die empfindlichen Nervenendstrecken im Muskel unter Druckspannung geraten, was die elektrischen Entladungen begünstigt“, erklärt Dr. Rainer Lindemuth, Siegen, Erstautor der S1-Leitlinie Crampi/Muskelkrampf der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
„Beugt man den Fuß in die Gegenrichtung und streckt den Wadenmuskel, löst sich der Krampf. Die Akutempfehlung lautet daher, den verkrampften Muskel zu dehnen bzw. seinen Gegenspieler anzuspannen", so Lindemuth.
Magnesium: Studienlage unklar
Zur Vorbeugung werden regelmäßige passive Dehnübungen der Wadenmuskulatur sowie die Einnahme von Magnesiumpräparaten empfohlen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird in Studien allerdings unterschiedlich bewertet. Wenn die Muskelkrämpfe so nicht in den Griff zu bekommen sind und die Lebens- und Schlafqualität stark beeinträchtigt werden, sollte der Weg zum Arzt erfolgen, um die Ursachen festzustellen.
Chininpräparate helfen
Eine andere Möglichkeit sind Chininpräparate. Bisher wurde nach der Leitlinie empfohlen, diese erst einzusetzen, wenn alle behandelbaren Ursachen ausgeschlossen wurden und eine Magnesiumtherapie ohne Erfolg versucht wurde. Neuere Erkenntnisse könnten aber dazu führen, dass die Präparate in Zukunft schon früher eingesetzt werden.
Eine aktuell in der Fachzeitschrift „MMW - Fortschritte der Medizin“ publizierte Studie bestätigte die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung mit Chininsulfat bei erwachsenen Patienten, die unter sehr häufigen oder besonders schmerzhaften nächtlichen Wadenkrämpfen leiden.
Keine schweren Nebenwirkungen
„Anzahl, Dauer und Schmerzintensität der nächtlichen Wadenkrämpfe hatten bei der Mehrzahl der Patienten abgenommen und das Nebenwirkungsprofil war tolerabel“, erklärt Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Erstautor der aktuellen Studie. Unerwünschte Nebenwirkungen traten demnach nur bei 35 von 592 Patienten auf, davon waren keine schwerwiegend. Diener kommentiert. „Ich denke, es ist möglich, diese Präparate weniger restriktiv einzusetzen, als es die Leitlinien derzeit vorsehen.“
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