Härchen im Auge: Immer mehr Notfälle wegen Eichenprozessionsspinner

Dr. Lamis Baydoun musste Härchen des Prozessionsspinners aus dem Auge operieren
Frau Dr. Baydoun, Sie berichten von mehreren Patienten, die mit schwersten Augenbeschwerden notfallmäßig zu Ihnen in die Augenklinik kamen. Offenbar war der Eichenprozessionsspinner Anlass?
Wir waren ganz überrascht, seit dem letzten Wochenende haben wir täglich neue Fälle, inzwischen sechs Fälle, wo Patienten die Härchen vom Eichenprozessionsspinner im Auge hatten. Diese Patienten beschrieben, dass sie vorher Fahrrad gefahren sind, Laub aufgewirbelt haben oder bei der Reinigung der Bäume vom Eichenprozessionsspinner zugeschaut haben. Sie beklagen eine Rötung des Auges, ein Fremdkörpergefühl, Tränen, Jucken und starke Schmerzen, sodass wir gesagt haben, dass wir bei diesen Patienten die Härchen operativ entfernen müssen.
Das mit der Operation ist aber gar nicht so einfach…
Ja, im OP mussten wir feststellen, dass die Härchen so fein sind, dass wir sie selbst mit unseren feinsten Instrumenten kaum zu fassen kriegen. Man muss da schon als Operateur das Bild des Auges mit der größten Einstellung vergrößern, sonst könnte man diese kleinen Härchen gar nicht sehen. Und es ist sehr schwierig, die Härchen aus der Hornhaut zu bekommen, in der sie sich festsetzen. Aber generell muss man sagen, dass wir solche Fälle bislang in Münster noch nie hatten und wir es hier mit einem neuen Phänomen zu tun haben, dass unseres Wissens so als Serie deutschlandweit bisher nicht beschrieben ist.
Was empfehlen Sie Patienten, die in diesen Tagen unerklärliche Augenbeschwerden haben und befürchten, das könnte mit dem Eichenprozessionsspinner zusammenhängen?
Wir empfehlen Patienten, die plötzlich – auch einseitig – ein rotes Auge haben, das heftig schmerzt, tränt und juckt, nicht einfach abzuwarten, ob das von alleine weggeht. Menschen mit solchen Beschwerden sollten schnell zum Augenarzt gehen und überprüfen lassen, ob da vielleicht etwas im Auge ist. Denn wenn es wirklich der Prozessionsspinner ist, dann werden die Beschwerden ohne Behandlung nicht abklingen.
Das Interview wurde vom Universitätsklinikum Münster zur Verfügung gestellt
Über den Eichenprozessionsspinner
Der Eichenprozessionsspinner ist ein Nachtfalter. Nicht der Falter an sich, sondern die Brennhaare sind für den Menschen gefährlich. Die fast unsichtbaren Härchen können leicht in die Haut und Schleimhaut eindringen und eine Raupendermatitis auslösen, eine Entzündung der Haut. Dabei können zusätzlich Quaddeln und Knötchen auftreten, die an Insektenstiche erinnern. Werden die giftigen Härchen eingeatmet, kann es zu Atemwegsbeschwerden bis hin zu Bronchitis und Asthma kommen. Dass die giftigen Brennhaare, auch in die Augen eindringen, ist ein neues Phänomen für die Medizin.
Die Schädlinge treten verstärkt in Wäldern, Parks, Gärten und auf Alleenbäumen auf. Anfang Mai schlüpfen die Raupen des Eichenprozessionsspinners, die ab dem dritten Larvenstadium dann die feinen, glasartigen Brennhaare entwickeln. Im Sommer verwandeln sie sich in einen ungefährlichen Schmetterling.
Um befallene Bäume sollte man am besten einen großen Bogen machen. Dass ein Baum vom Eichenprozessionsspinner befallen ist, erkennt man daran, dass die Raupen in langen Reihen - wie in einer Prozession - am Stamm entlang kriechen. Auch die Nester sollte man auf keinen Fall berühren. Wer trotzdem mit den Härchen der Raupen in Berührung kommt, sollte bei starken Reaktionen am besten einen Arzt aufsuchen. Gegen die Hautbeschwerden helfen antientzündliche Salben mit Kortison.