Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Härchen im Auge: Immer mehr Notfälle wegen Eichenprozessionsspinner

Sonntag, 30. Juni 2019 – Autor:
Das massenhafte Auftreten des Eichenprozessionsspinners hat in diesem Jahr bei besonders vielen Menschen zu allergischen Reaktionen der Haut führt. Die giftigen Brennhaare der Raupen können aber auch sprichwörtlich ins Auge gehen. Am Universitätsklinikum Münster mussten diese Woche sechs Menschen am Auge operiert werden. Dr. Lamis Baydoun, Oberärztin der UKM-Augenklinik, berichtet, was vorgefallen ist.
Eichenprozessionsspinner, Auge

Dr. Lamis Baydoun musste Härchen des Prozessionsspinners aus dem Auge operieren

Frau Dr. Baydoun, Sie berichten von mehreren Patienten, die mit schwersten Augenbeschwerden notfallmäßig zu Ihnen in die Augenklinik kamen. Offenbar war der Eichenprozessionsspinner Anlass?

Wir waren ganz überrascht, seit dem letzten Wochenende haben wir täglich neue Fälle, inzwischen sechs Fälle, wo Patienten die Härchen vom Eichenprozessionsspinner im Auge hatten. Diese Patienten beschrieben, dass sie vorher Fahrrad gefahren sind, Laub aufgewirbelt haben oder bei der Reinigung der Bäume vom Eichenprozessionsspinner zugeschaut haben. Sie beklagen eine Rötung des Auges, ein Fremdkörpergefühl, Tränen, Jucken und starke Schmerzen, sodass wir gesagt haben, dass wir bei diesen Patienten die Härchen operativ entfernen müssen.

Das mit der Operation ist aber gar nicht so einfach…

Ja, im OP mussten wir feststellen, dass die Härchen so fein sind, dass wir sie selbst mit unseren feinsten Instrumenten kaum zu fassen kriegen. Man muss da schon als Operateur das Bild des Auges mit der größten Einstellung vergrößern, sonst könnte man diese kleinen Härchen gar nicht sehen. Und es ist sehr schwierig, die Härchen aus der Hornhaut zu bekommen, in der sie sich festsetzen. Aber generell muss man sagen, dass wir solche Fälle bislang in Münster noch nie hatten und wir es hier mit einem neuen Phänomen zu tun haben, dass unseres Wissens so als Serie deutschlandweit bisher nicht beschrieben ist.

Was empfehlen Sie Patienten, die in diesen Tagen unerklärliche Augenbeschwerden haben und befürchten, das könnte mit dem Eichenprozessionsspinner zusammenhängen?

Wir empfehlen Patienten, die plötzlich – auch einseitig – ein rotes Auge haben, das heftig schmerzt, tränt und juckt, nicht einfach abzuwarten, ob das von alleine weggeht. Menschen mit solchen Beschwerden sollten schnell zum Augenarzt gehen und überprüfen lassen, ob da vielleicht etwas im Auge ist. Denn wenn es wirklich der Prozessionsspinner ist, dann werden die Beschwerden ohne Behandlung nicht abklingen.

Das Interview wurde vom Universitätsklinikum Münster zur Verfügung gestellt

Über den Eichenprozessionsspinner

Der Eichenprozessionsspinner ist ein Nachtfalter. Nicht der Falter an sich, sondern die Brennhaare sind für den Menschen gefährlich. Die fast unsichtbaren Härchen können leicht in die Haut und Schleimhaut eindringen und eine Raupendermatitis auslösen, eine Entzündung der Haut. Dabei können zusätzlich Quaddeln und Knötchen auftreten, die an Insektenstiche erinnern. Werden die giftigen Härchen eingeatmet, kann es zu Atemwegsbeschwerden bis hin zu Bronchitis und Asthma kommen. Dass die giftigen Brennhaare, auch in die Augen eindringen, ist ein neues Phänomen für die Medizin.

Die Schädlinge treten verstärkt in Wäldern, Parks, Gärten und auf Alleenbäumen auf. Anfang Mai schlüpfen die Raupen des Eichenprozessionsspinners, die ab dem dritten Larvenstadium dann die feinen, glasartigen Brennhaare entwickeln. Im Sommer verwandeln sie sich in einen ungefährlichen Schmetterling.

Um befallene Bäume sollte man am besten einen großen Bogen machen. Dass ein Baum vom Eichenprozessionsspinner befallen ist, erkennt man daran, dass die Raupen in langen Reihen - wie in einer Prozession - am Stamm entlang kriechen. Auch die Nester sollte man auf keinen Fall berühren. Wer trotzdem mit den Härchen der Raupen in Berührung kommt, sollte bei starken Reaktionen am besten einen Arzt aufsuchen. Gegen die Hautbeschwerden helfen antientzündliche Salben mit Kortison. 

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Haut , Auge

Weitere Nachrichten zum Thema Schädlinge

03.07.2019

In Berlin gibt es besonders viele Eichen. Gut für den Eichenprozessionsspinner, schlecht für den Baumbestand und die Bevölkerung. Die Raupennester sollten aber niemals eigenhändig entfernt werden. Diese Behörden helfen weiter.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten


Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.
Interviews
Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.

Aducanumab ist das erste in den USA zugelassene Medikament, das die Alzheimer typischen Amyloid-Plaques zum Verschwinden bringt. Aber kann der neue monoklonale Antikörper mit dem Handelsnamen Aduhelm auch den Gedächtnisverlust stoppen? Und warum ist die Notfallzulassung in den USA durch die US-Food and Drug Administration (FDA) so umstritten? Darüber hat Gesundheitsstadt Berlin mit dem Neurologen und Alzheimer-Experten Prof. Johannes Levin vom LMU Klinikum München gesprochen.
Logo Gesundheitsstadt Berlin