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"Gute Arzt-Patienten-Kommunikation kann man lernen"

Montag, 7. Juli 2014 – Autor:
Die Kommunikationstrainerin und Vorstand der Stiftung PATH Doris C. Schmitt über das Gelingen oder Misslingen von Arzt-Patienten-Gesprächen, die neue Initiative „Ich beim Arzt“ und einen 5-Punkte-Plan für Patienten.

Doris Schmitt

Die Kommunikationstrainerin und Vorstand der Stiftung PATH Doris C. Schmitt über das Gelingen oder Misslingen von Arzt-Patienten-Gesprächen, die neue Initiative „Ich beim Arzt“ und einen 5-Punkte-Plan für Patienten.

Frau Schmitt, die Stiftung PATH gehört zu den Unterstützern der neuen Initiative „Ich beim Arzt“. Warum engagiert sich eine Tumorbank in Sachen Arzt-Patienten-Gespräch?

Schmitt: Die Tumorbank PATH wurde von Brustkrebspatientinnen gegründet, um die Krebsforschung zu unterstützen. Als Betroffene schauen wir aber natürlich über den Tellerrand und wissen sehr gut, was in der täglichen Versorgungspraxis nicht so rund läuft. Deswegen waren wir von der Initiative „Ich beim Arzt“ sehr angetan und haben mitgemacht.

Die Initiative richtet sich ja nicht nur an Krebspatienten, sondern an jeden, der zum Arzt geht. Was läuft denn generell nicht so rund zwischen Arzt und Patient?

Schmitt
: In der Arzt-Patienten-Kommunikation gibt es einige Hürden zu überwinden. Der Arzt auf der einen Seite versucht dem Patienten mögliche Therapieoptionen zu vermitteln, während der Patient sich um seine Erkrankung und deren Begleiterscheinungen Sorgen macht. In diesem Ungleichgewicht von rationaler und emotionaler Ebene kann es zu Kommunikationsstörungen kommen. Uns geht es darum, dass Arzt und Patient sich gut verstehen, und zwar auf beiden Ebenen. Schließlich ist das Gespräch zwischen Arzt und Patient eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung.

Okay. Was gehört auf jeden Fall in ein gutes Arzt-Patienten-Gespräch?

Schmitt
: Der Arzt muss den Patienten ernst nehmen. Dazu gehört das Zuhören und das sich Einlassen auf den Patienten. Und auch mal zwischen den Zeilen zu lesen, ob den Patienten vielleicht noch etwas Unausgesprochenes drückt. Das geht natürlich nicht, wenn der Arzt zwischendurch telefoniert oder sich gleichzeitig am Computer zu schaffen macht. Ärzte stehen häufig unter Zeitdruck, dafür können sie nichts. Trotzdem hat der Patient ein Recht auf die volle Aufmerksamkeit des Arztes – auch wenn das Wartezimmer voll ist.

Wie könnte der Patient in so einer Situation reagieren?

Schmitt
: Wenn der Patient merkt, dass der Arzt unter Druck ist, könnte er ihn direkt darauf ansprechen. Mit einem Satz wie: „Ich sehe, Sie sind heute etwas im Stress, aber folgende Dinge muss ich unbedingt mit Ihnen besprechen“, kann helfen, so eine Situation im Guten aufzulösen, und zwar für beide Seiten. Zufriedene Patienten haben Vertrauen zu ihren Ärzten und werden sie weiter empfehlen.

Haben Sie noch mehr so tolle Tipps?

Schmitt: Die Initiative „Ich beim Arzt“ hat das Wichtigste in einem sehr übersichtlichen 5-Punkte-Plan zusammengefasst. Da steht genau drin, was der Patient für ein gutes Gespräch mit dem Arzt tun kann. Sie werden überrascht sein, wie simpel das eigentlich ist.

Was steht denn da Simples drin?

Schmitt
: Ganz wichtig ist eine gute Vorbereitung. Notieren Sie sich Ihre Fragen bzw. Anliegen vorher – wie auf einem Einkaufszettel, wo Sie das Erledigte dann abhaken können. Zur Vorbereitung gehört auch, dass Sie dem Arzt den Grund Ihres Besuchs ganz genau schildern können. Je konkreter Sie Ihre Beschwerden oder Fragen benennen, umso besser kann der Arzt auf Ihre Bedürfnisse eingehen.

Untersuchungen zeigen, dass vieles von dem, was der Arzt erklärt, schon kurz nach dem Gespräch wieder vergessen ist. Was sagt Ihr 5-Punkte-Plan dazu?

Schmitt
: Sofort nachfragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Und dranbleiben, bis wirklich alles klar ist und ich mit der Behandlung einverstanden bin. Dazu gehört etwas Mut, aber den sollten die Patienten im eigenen Interesse aufbringen. Außerdem raten wir den Patienten, sich während des Gesprächs Notizen zu machen. Bei der Fülle an Informationen, die da oft in wenigen Minuten auf den Patienten einströmen, ist das ein sehr hilfreiches Mittel. Bei komplexeren Gesprächen, etwa wenn es um die onkologische Therapieplanung geht, kann ich nur raten, einen Angehörigen mitzunehmen.

Sie haben selbst schon mal eine Krebsdiagnose bekommen. Was könnte aus Ihrer Sicht in diesem Bereich besser laufen?

Schmitt
: Aus meiner Sicht täten die Ärzte gut daran, den Patienten nach der Eröffnung der Diagnose etwas mehr Raum zu geben. Die meisten Patienten müssen diese Nachricht erst mal verkraften. Bei Brustkrebs ist es zum Beispiel meistens nicht notwendig, gleich am nächsten Tag operiert zu werden. Die Behandlung und weitere Details können einige Tage später besprochen werden. Häufig fühlen sich die Patienten aber unter Druck und meinen, sie müssten sich sofort auf eine bestimmte Klinik festlegen. Auch würde ich mir wünschen, die Ärzte würden so früh wie möglich auf Patientenorganisationen verweisen. Diese können Orientierung für die richtigen Anlaufstellen bieten und im Umgang mit der Erkrankung Hilfestellung geben. Auch örtliche Selbsthilfegruppen leisten einen wichtigen Beitrag vor allem für chronisch Erkrankte sowie Krebspatienten.

Könnte es sein, dass Ärzte etwas misstrauisch gegenüber Selbsthilfegruppen sind, weil sie darin unliebsame Konkurrenz sehen?

Schmitt
: Nein, das glaube ich nicht. In zertifizierten Brustzentren sind zum Beispiel Selbsthilfegruppen voll integriert und anerkannt. Wichtig ist, mit den Ärzten Kontakt zu halten, um sich über neue Behandlungsoptionen zu informieren. Gut informierte Patientenexperten sind inzwischen bei vielen Ärzten akzeptiert, leider nicht bei allen, aber das wird sich in Zukunft verändern. Mit immer weniger Zeitbudgets der Ärzte wird die Bedeutung von Patientenorganisationen zunehmen.  Generell kann ich aber nur jedem Patienten, ganz gleich mit welcher Diagnose, raten: Informiert Euch. Nutzt die Möglichkeiten, die wir heute haben. Allerdings sollte immer der Arzt die wichtigste Informationsquelle bleiben.

Sie meinen, die Zeiten, in denen man sein Schicksal dem Arzt überlassen hat, sollten vorbei sein?

Schmitt
: Sie sind es definitiv. Schauen Sie allein auf die zahlreichen Studien, die auf mögliche neue Therapieoptionen hinweisen. Man kann auch gar nicht mehr erwarten, dass jeder Arzt über alles Bescheid weiß. Es geht ja nicht darum, schlauer zu sein als der Arzt, sondern das Beste für sich herauszuholen. Viele Ärzte schätzen inzwischen gut informierte Patienten, die eine gemeinsame Therapieentscheidung mit dem Arzt anstreben. Dadurch übernimmt der Patient auch Verantwortung für sich und zeigt in der Regel eine bessere Therapietreue.

Die Initiative „Ich beim Arzt“ ist patientenorientiert. Seit Freitag gibt es auch eine website. Müsste es so etwa nicht auch für die Ärzte geben, schließlich gehören zu einem Gespräch ja immer zwei?

Schmitt
: Ich würde da noch viel früher ansetzen wollen: Die Arzt-Patienten-Kommunikation gehört als Pflichtfach ins Medizinstudium. In Deutschland ist das leider bislang nicht der Fall. Gute Kommunikation kann man lernen und ich finde für Ärzte ist das ein Muss. Im Übrigen dürfen auch Ärzte gerne auf die website „ichbeimarzt.de“ schauen. Was für den Patienten wichtig ist, sollte jeder Arzt wissen. Dann kann eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und Patient entstehen.

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
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