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Grippeimpfung bleibt trotz Corona-Pandemie wichtig

Mittwoch, 20. Oktober 2021 – Autor:
Die Grippesaison beginnt. Daran hat sich auch durch die Pandemie nichts geändert. Ein Neuroimmunologe erklärt, warum die Grippeimpfung weiterhin wichtig ist und warum sie zusammen mit einer Covid-Impfung gegeben werden kann.
Grippeimpfung und Covid-Impfung gleichzeitig? Angst vor mehr Nebenwirkungen nach aktueller Datenlage unbegründet

Grippeimpfung und Covid-Impfung gleichzeitig? Angst vor mehr Nebenwirkungen nach aktueller Datenlage unbegründet – Foto: © Adobe Stock/ DragonImages

Die Grippe hat sich durch die Corona-Pandemie nicht totgelaufen. Zwar gab es in der vergangenen Influenza-Saison kaum Grippefälle. Doch das ist allein eine Folge der Corona-Schutzmaßnahmen.

Jetzt besteht die Gefahr, dass die Grippe unterschätzt wird, glaubt der Neuroimmunologe Heinz Wiendl vom Universitätsklinikum Münster. Aus seiner Sicht ist die Grippeimpfung trotz oder gerade wegen der Pandemie absolut wichtig und zu empfehlen. Grundsätzlich vor allem für gewisse Risikogruppen. „Das hat sich durch die Pandemie überhaupt nicht verändert. Im Gegenteil: Ich find’s sogar noch wichtiger, weil man die Gefahr aus meiner Sicht jetzt unterschätzt“, betont er in einem Interview.

Braucht man denn im Moment wirklich einen Grippeschutz, im vergangenen Jahr gab es doch kaum Grippefälle?

Wiendl: Ich glaube nicht, dass man davon ausgehen kann, dass die Grippegefahr weniger virulent ist. Man kann durch die ergriffenen Infektionsschutzmaßnahmen gut erklären, warum wir im letzten Jahr weniger Grippeerkrankte hatten. Das wird sich ändern. Der Erreger, auch wenn er weniger präsent zu sein scheint, ist noch da und hat seine gewisse Saisonalität. Von daher glaube ich, dass es gerade nicht das Argument sein kann, Grippe von der Liste zu streichen, sondern man sollte sich weiter bestmöglich schützen.

Wenn ich mich für die Grippeimpfung entscheide und ich zu der genannten Gruppe gehöre, der jetzt auch bereits eine Booster-Impfung nahegelegt wird. Kann ich beide Impfungen gleichzeitig erhalten?

Wiendl: Zunächst mal gibt es aus immunologischer Sicht keinen Grund zu der Annahme, man könnte nicht doppelt impfen. Das Immunsystem ist jeden Tag vielen Erregern ausgesetzt – im „Feindkontakt“ mit der Umwelt sind das vielfachste Kontakte pro Tag. Das gleiche mutet man dem Immunsystem bei der Doppelimpfung zu, indem man zwei unterschiedliche Erregerabläufe nachstellt. Ich glaube sogar, dass das sinnvoll sein kann, denn theoretisch könnten sich die Immunantworten gegenseitig verstärken. Natürlich könnte ein Gegenargument sein, dass das Immunsystem im Moment der zweifachen Impfung noch mehr zu tun hat. Von der Theorie und der Umsetzbarkeit her halte ich eine Doppelimpfung für sinnvoll.

Wie erfolgt denn so eine Doppelimpfung?

Wiendl: Das läuft so, dass man zwei unterschiedliche Stellen, zum Beispiel den rechten und linken Oberarm, zum gleichen Zeitpunkt nimmt. Hintergrund ist, dass natürlich die Immunreaktion lokal beginnt – das wissen ja die meisten, dass es da lokal zu einer Schwellung oder Schmerzen kommen kann. Das würde man verstärken, wenn man nun beide Impfungen an ein und derselben Stelle setzt, sodass man die Impfstoffe an unterschiedlichen Stellen einbringt und quasi dort die jeweils eigene Initiierung der Immunreaktion beginnt.

Muss ich bei der Booster-Impfung damit rechnen, dass ich die gleichen Nebenwirkungen haben kann wie bei den ersten beiden Impfungen – oder vielleicht sogar stärker?

Wiendl: Also grundsätzlich ist bei jeder Impfung davon auszugehen, dass eine Immunreaktion ausgelöst wird und das kann natürlich mit Nebenwirkungen einhergehen. Es ist nicht vorherzusagen, ob das genauso, weniger oder sogar mehr ist. In Summe zeigen die bisher dazu erhobenen Daten, dass das Nebenwirkungsprofil gleichwertig oder zumindest nicht schlechter ist. Die Befürchtung könnte ja sein: Je mehr man impft, desto schlimmer wird es. Das ist definitiv nicht so.  

Für all diejenigen, bei denen die vollständige Impfung erst in den Sommermonaten erfolgt ist:Wann ist der ideale Zeitpunkt für eine Drittimpfung?

Wiendl: Man sagt, dass der ideale Zeitpunkt sechs Monate nach der zweiten Impfung liegt. Meine Empfehlung wäre, mit Ausnahme der Bevölkerungsgruppen, wo eine Impfung eben nicht zugelassen ist, dass die sich in jedem Fall Booster-impfen lassen sollten. Das Immunsystem ist komplex und funktioniert wie ein Team. Man muss sich das vorstellen wie eine neu aufgestellte Fußballmannschaft in einer langen Saison. Sie haben nur eine gewisse Anzahl von Spielern, es gibt Verletzte, es gibt welche, die fallen aus Altersgründen aus… und irgendwann mal ist die Mannschaft auf dem Platz nicht mehr vollzählig. Und was sie dann mit der Booster-Impfung tun: Sie frischen den Kader auf. Sie kriegen neue Spieler. Das Spiel bleibt dasselbe, aber als Team werden sie dadurch besser.

Noch abschließend die Frage: Macht ein Antikörper-Test Sinn, um zu entscheiden, ob eine dritte Impfung überhaupt notwendig ist?

Wiendl: Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, den Antikörper-Status generell zu bestimmen, da es noch keine verlässlichen Grenzwerte gibt, welche Menge an Antikörpern und der schwer messbaren T-Zellen man haben muss, um geschützt zu sein. Im Einzelfall – wenn ich zum Beispiel eine schwere Grunderkrankung habe und es zu erwarten ist, dass meine Immunantwort auf die ersten beiden Impfungen schlecht war – kann es jedoch sinnvoll sein, den theoretischen Schutz ermitteln zu lassen. Wichtig ist: Im Regelfall sind nach den ersten beiden Impfungen bei über 90 Prozent der Menschen Antikörper signifikant messbar.

Das Interview wurde von der Pressestelle des Universitätsklinikums Münster geführt

Hauptkategorien: Corona , Medizin
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