Glutenunverträglichkeit: FODMAPs und ATIs unter Verdacht
Das Klebereiweiß Gluten steht unter Verdacht, zahlreiche Beschwerden auszulösen. Etwa das Reizdarmsyndrom, Kopfschmerzen, Brainfog, Müdigkeit bis hin zu Entzündungsreaktionen. Immer mehr Menschen, verzichten darum auf glutenhaltige Produkte.
Glutenfreie Diät ist die Therapie der Zöliakie
Erwiesenermaßen notwendig ist eine glutenfreie Diät bei einer Zöliakie. Hierbei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der die Aufnahme von Gluten die Schleimhaut des Zwölffingerdarms schädigt. Die sogenannten Zotten, die Ausstülpungen der Dünndarmschleimhaut, bilden sich aufgrund von Entzündungsreaktionen zurück. In der Folge können die Betroffenen weniger Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen, was fatale Konsequenzen für den ganzen Körper haben kann. Diese Mangelzustände können aber auch begleitende Autoimmunphänomene verursachen, so dass die Zöliakie eine Systemerkrankung ist. Die Diagnose Zöliakie wird durcheine Messung der Transglutaminase-IgA-Antikörper im Blut sowie eine Biopsie des Zwölffingerdarms gestellt. Rund ein Prozent der Bevölkerung ist von einer Zöliakie betroffen.
Nicht-Zöliakie-Weizenunverträglichkeit – neuer Begriff für Glutensensitivität
Doch auch viele Menschen ohne eine Zöliakie reagieren empfindlich auf glutenhaltiges Getreide. Die Vielzahl der Beschwerden wurde bislang unter dem Sammelbegriff Glutensensitivität oder Glutenunverträglichkeit zusammengefasst. In der Wissenschaft wird das Konzept der Glutensensitivität jedoch inzwischen angezweifelt, weshalb man heute von einer Nicht-Zöliakie-Weizenunverträglichkeit spricht. Aber auch dieser Begriff erzählt nicht die ganze Geschichte. Denn vermutlich ist es nicht Weizen an sich der Übeltäter, sondern Stoffe, die unter anderem in Weizen vorkommen.
Wissenschaft diskutiert zwei Theorien
„Bei Menschen, die nicht an einer Zöliakie leiden und diese Produkte (glutenhaltiges Getreide) nicht vertragen, ist aber höchstwahrscheinlich das Gluten gar nicht das eigentliche Problem“, sagt der Magen-Darm-Spezialist PD Dr. Michael Schumann von der Charité. Seiner Auskunft nach gibt es in der Wissenschaft aktuell zwei Theorien, die die verschiedenen Beschwerden erklären könnten.
FODMAPs manchmal ursächlich für Bauchbeschwerden
Eine Theorie geht demnach davon aus, dass sogenannte FODMAPs die Bauchbeschwerden auslösen. Diese schnell vergärenden Kohlenhydrate stecken in Süßigkeiten, Milchprodukten, Steinobst oder Kohl und eben auch in hohen Konzentrationen in glutenhaltigem Getreide wie Weizen. FODMAPs werden im Dünndarm nur schlecht resorbiert und können Blähungen, Völlegefühl, Bauchkrämpfe oder Durchfall auslösen.
ATIs können Immunreaktion und allerlei Beschwerden auslösen
Eine andere Theorie ist, dass manche Menschen sehr empfindlich auf ATIs reagieren. Diese Amylase-Trypsin-Inhibitoren sind im Grunde natürliche Pestizide, die bei der Züchtung von Getreide im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind. Deshalb sind ATIs in vielen Getreidesorten enthalten, nicht nur im Weizen, sondern auch in glutenfreien Getreiden wie Buchweizen. „Man geht davon aus, dass diese pflanzlichen Eiweiße das angeborene Immunsystem aktivieren, was dann zu Reizdarm-ähnlichen Symptomen führen kann“, erläutert Schumann. Manche Menschen klagten zusätzlich auch über eine Art Brainfog, sozusagen dem Gefühl der „Mattscheibe“, oder Kopf- oder Gelenkschmerzen, berichtet der Experte. Die zugrundeliegende Immunreaktion unterscheide sich aber drastisch von der Immunreaktion bei der Zöliakie und habe zudem einen ganz anderen Auslöser.
Es kann also sein, dass sich hinter einer vermuteten Glutensensitivität in Wahrheit eine Überempfindlichkeit gegenüber FODMAPS oder gegenüber ATIs versteckt – solange eine Zöliakie oder andere Erkrankungen und Allergien ausgeschlossen wurden.