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Gesundheitspersonal: Wie Covid-19 an der Psyche nagt

Mittwoch, 28. Juli 2021 – Autor:
Mitarbeiter im Gesundheitswesen kämpfen an vorderster Front: Viele kamen während der Pandemie an die Grenzen dessen, was Menschen aushalten können. Eine Studie der Universität Bonn zeigt: Besonders in einer Berufsgruppe haben Ängste und Depressionen behandlungsbedürftige Dimensionen erreicht.
Medizinisch-Technische Assistentinnen (MTA) im Labor.oft unter Depressions-Symptomen und Ängsten, zeigt eine Studie der Universität Bonn.

Medizinisch-Technische Assistenten (MTA) litten in der Pandemie besonders oft unter Depressions-Symptomen und Ängsten, zeigt eine Studie der Universität Bonn. – Foto: Johann Saba, Stabsstelle Kommunikation & Medien, Universitätsklinikum Bonn

„Unsere Mitarbeiter sind am Limit“: Diesen Satz hörte man während der Corona-Wellen immer wieder aus dem Mund von Klinikchefs, Ärzteverbands- und Gewerkschafts-Funktionären oder Altenheimbetreibern. Die Universität Bonn hat jetzt im Rahmen einer Studie untersucht, welche Spuren die Arbeit unter Corona-Bedingungen bei den Mitarbeitern in Krankenhäusern hinterlassen hat.

Erlebnisse, die nicht so einfach wegzustecken sind

Ärztliches Personal, Pflegekräfte, Technische Angestellte und Seelsorger in den Kliniken: Sie alle haben während der Covid-19-Pandemie Erlebnisse, Eindrücke und Belastungen erlebt, die nicht so einfach wegzustecken sind. Um (be)greifbar zu machen, welche Spuren Corona in den Gemütern des Gesundheitspersonals hinterlassen hat, haben Forscher der Universität Bonn jetzt Mitarbeiter von fünf Universitätsklinika und weiterer Kliniken in Deutschland zu ihren Erfahrungen befragt.

Mit im Fokus: Zwei Berufsgruppen im Hintergrund

Mehr als 4.300 Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen schickten ihre ausgefüllten Fragebögen an das Studienteam zurück. „Darunter waren neben dem ärztlichen Personal und den Pflegekräften auch zwei Gruppen, die in der Diskussion bislang vernachlässigt wurden“, sagt Franziska Geiser, Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn. „Einerseits die vergleichsweise kleine Zahl der Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Kliniken. Und andererseits die vielen medizinisch-technischen Angestellten – die MTAs in den Untersuchungsbereichen, der Radiologie und den Laboren.“ Diesen kam, in der Corona-Krise, auch wenn sie nicht im Rampenlicht standen, im Medizinbetrieb eine besondere Bedeutung zu.

Über 20 Prozent mit ausgeprägten Depressions-Symptomen

Die Teilnehmer sollten angeben, wie sehr sie sich aktuell und vor der Umfrage durch ihre Arbeit belastet fühlten und wie oft sie unter Depressions- und Angstsymptomen litten. Das Ergebnis: Jeweils mehr als 20 Prozent der Befragten gaben Depressions- oder Angstsymptome in einem behandlungsbedürftigen Ausmaß an. „Wir wissen nicht, wie es bei genau dieser Stichprobe vor der Pandemie aussah“, erklärt Geiser. „Die gefundenen Werte liegen jedoch höher als in früheren Untersuchungen bei Ärzten und Pflegepersonal, wir können also von einer Zunahme in der Pandemie ausgehen. Während aber in Normalzeiten Ärzte und Pflegepersonal eine höhere psychische Belastung aufweisen als die restliche Bevölkerung, hatten sie in der Pandemie in unserer Befragung geringere Angstwerte.“

„Die Helfer im Hintergrund werden häufig vergessen“

Diejenigen, die am stärksten unter den psychischen Folgen der Pandemie litten, waren der Studie zufolge die MTAs. „Warum das so ist, darüber können wir nur spekulieren“, sagt Franziska Geiser weiter, die auch Professorin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Bonn ist. „Wir sollten aber auf jeden Fall im Auge behalten, dass in derartigen Situationen nicht nur die Intensivstationen belastet sind, sondern das ganze System. Wir müssen auch diejenigen stärken, die vielleicht nicht so sehr im Rampenlicht stehen, sondern als Helfer im Hintergrund häufig vergessen werden.“

Seelsorger: Am wenigsten Angst- und Depressionssymptome

Auch Seelsorger gaben bei der Befragung einen Anstieg der Belastung durch die Pandemie an. Aber: Sie zeigten im Vergleich zu den anderen Berufsgruppen das am stärksten ausgeprägte Kohärenzgefühl und die wenigsten Angst- oder Depressions-Symptome. „Das Kohärenzgefühl bezeichnet das Ausmaß, in dem wir unser Leben als verstehbar, sinnhaft und bewältigbar empfinden“, erläutert Studien-Erstautor Jonas Schmuck. Je ausgeprägter das Kohärenzgefühl von Mitarbeitern war, desto seltener litten sie unter psychischen Symptomen.

Mehr psychische Belastung auch in der Altenpflege

Vor einem halben Jahr publizierte das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) eine Studie zur Situation in der Altenpflege. Darin berichteten 39 Prozent der Mitarbeiter in ambulanten und 65 Prozent der Mitarbeiter in stationären Einrichtungen von einem Anstieg von körperlichen und psychischen Belastungen im Zuge der Corona-Pandemie.

Hauptkategorie: Medizin
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