
Risiken von Arzneinmitteln oft unterschätzt
Das wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat in einer Arzneimitteltherapie-Studie 1.000 GKV-Versicherte ab 65 Jahren zu deren Einnahmeverhalten, Risikobewusstsein und Adhärenz im Umgang mit Arzneimitteln befragt. Das Institut ist zu einem überraschenden Ergebnis gekommen: Zwar ist das Vertrauen in den verschreibenden Arzt gross (71,2 % der Befragten geben an, ihrem Arzt voll zu vertrauen), aber die Mehrzahl der Befragten gibt auch an, keine Erinnerung an die Therapieberatung zu haben.
WIdO-Studie: Ein Viertel aller 65-Jährigen nimmt täglich mindestens fünf Arzneimittel ein
Laut WIdO-Studie nimmt rund ein Viertel der über 65-Jährigen regelmässig fünf oder mehr ärztlich verordnete Arzneimittel ein. Bei fast jedem fünften dieser Patienten befindet sich darunter ein Medikament, das für ältere Menschen als potenziell ungeeignet gilt. Von diesen Patienten nehmen 17,2 Prozent Arzneimittel ein, die für ältere Menschen als potenziell ungeeignet gelten und deshalb auf der Priscus-Liste stehen. Bei 30 Prozent der befragten Patienten kommen noch frei verkäufliche Produkte zur Selbstmedikation dazu, von denen der Arzt gar nichts weiss.
"Nur ein Viertel der von uns Befragten mit Polymedikation weiss, dass es bei der Einnahme mehrerer Arzneimittel eher zu Nebenwirkungen kommt", sagte WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber bei der Vorstellung der neuen Studie Juni. Die Risiken und Nebenwirkungen dieser Medikamentencocktails würden die meisten Patienten unterschätzen. "Ältere Menschen, die mehrere Medikamente einnehmen, sind den altersspezifischen Risiken der Arzneimitteltherapie und Vielfachmedikation besonders ausgesetzt. Ausgerechnet bei ihnen ist das Risikobewusstsein jedoch eher gering" so Jürgen Klauber.
Informationslücken bei der Arzneimittel Einnahme
Die WIdO-Studie deckte ausserdem grosse Informationslücken bei den betroffenen Menschen auf. Nur knapp ein Viertel der Patienten mit Polymedikation (21,9 Prozent) ist sich bewusst, dass ältere Menschen anfälliger für unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind. Fast jeder zweite Patient mit Polymedikation (49,3 Prozent) weiss nicht, dass es bei der Einnahme mehrerer Medikamente verstärkt zu Nebenwirkungen kommen kann.
Die Risiken der Arzneimitteleinnahme verschärfen sich, wenn die vom Arzt verordnete Therapie nicht eingehalten wird. "Ein knappes Fünftel der Patienten mit Polymedikation gibt an, manchmal die Einnahme der Medikamente zu vergessen. Andere hören ganz auf", sagte Klauber. So verzichten 7,3 Prozent der Befragten zum Teil auf ihre Medikamente, wenn sie sich besser fühlen. 6,6 Prozent gaben an, die Medikamenteneinnahme manchmal einzustellen, wenn sie sich nach der Einnahme schlechter fühlen. "Häufig wissen weder Arzt noch Apotheker, was ein Patient einnimmt und ob er sich an die Therapie hält. Umso wichtiger wäre es, dass sie die Patienten umfassend zu Arzneimittelrisiken beraten."
Foto: AOK Mediendienst