Ganzheitliche Therapie bei Rückenschmerzen: 84 Prozent erfolgreicher als die Standardtherapie

Laut einer Studie der Universität Frankfurt ist Schmerztherapie am vielversprechendsten, wenn Behandlungselemente aus verschiedenen medizinischen Feldern kombiniert werden. – Foto: AdobeStock/Pcess609
Bewegungsmangel, Fehlbelastung, Überbelastung, Dauerstress am Arbeitsplatz oder privat – es gibt viele Ursachen für die Volkskrankheit Rückenschmerz. Bei nicht wenigen Betroffenen sind die Beschwerden sogar chronisch. Das heißt, sie halten über lange Zeit an oder treten immer wieder auf. Linderung können angeleitete Sport- und Bewegungstherapien bringen. Zu den gängigen Behandlungsmethoden gehören Physiotherapie, Krafttraining und Stabilisationstraining. Doch wie kann die Therapie möglichst erfolgreich sein? Welche Vorgehensweise lindert den Schmerz am effektivsten? Das haben Wissenschaftler der Universität Frankfurt jetzt in einer Meta-Studie untersucht.
Personalisierte Behandlung: Der Patient entscheidet mit
Basis für die Überblicksstudie waren 58 Einzelstudien zum Krankheitsgeschehen von mehr als 10.000 Patienten weltweit, die unter chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich leiden. Bei den Auswertungen ging es zum einen darum, ob und wie sehr sich Standardbehandlungen und personalisierte Behandlungen im Ergebnis voneinander unterscheiden. „Personalisiert“ bedeutet: Es gibt eine Art persönliches Coaching, bei dem Therapeuten gezielt auf Potenziale und Bedürfnisse der Patienten eingehen und gemeinsam mit ihnen entscheiden, wie die Therapie aussieht.
Das Resultat der Studie: Eine personalisierte Behandlung führte zu einer deutlichen Steigerung der Effekte bei chronischen Rückenschmerzen im Vergleich zu Standard-Bewegungstherapien. Die Erfolgsquote bei der Schmerzlinderung lag 38 Prozent höher als bei einer Standardbehandlung. „Der höhere Aufwand der Personalisierung lohnt sich, da die Patienten in klinisch relevantem Ausmaß davon profitieren", sagt Studien-Autor Fleckenstein.
Psychotherapie: Bewegungsängste abbauen, mit dem Schmerz besser umgehen lernen
Das Forscherteam aus Frankfurt ging aber noch weiter und verglich neben den Standardbehandlungen und den personalisierten eine dritte Gruppe von Behandlungen. Bei diesen wurden personalisierte Trainingseinheiten mit einer so genannten kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) kombiniert. Dieses Gesprächsverfahren geht davon aus, dass negative Gedanken und Verhaltensweisen rund um das Thema Schmerz schmerzverstärkend wirken. Also lernen Schmerzpatienten, ihren Umgang mit dem Schmerz zu verändern. Sie bauen Bewegungsängste ab oder bekommen Taktiken zur Schmerzbewältigung beigebracht. Dadurch merken sie, dass sie durchaus nicht hilflos sind.
Personalisierte Behandlung plus Psychotherapie: 84 Prozent erfolgreicher als die Standardbehandlung
Doch was trägt die psychotherapeutische Unterstützung durch KVT tatsächlich zum Behandlungserfolg bei? Hier ergab sich bei der Datenanalyse folgendes: „Wurden personalisierter Ansatz und KVT kombiniert, lag die Erfolgsquote in Hinblick auf die Schmerzlinderung beeindruckende 84 Prozent höher als bei einer Standardbehandlung“, so das Urteil der Wissenschaftler. „Die kombinierte Therapie, auch multimodale Therapie genannt, führte also zum mit Abstand besten Ergebnis.“
Was die multimodale Therapie Schmerzpatienten ersparen kann
Diese multimodale Therapie könnte über den eigentlichen Therapieerfolg hinaus Patienten viele Strapazen oder offenbar ineffektive Methoden aus konventioneller Behandlung ersparen – und dem Gesundheitssystem viel Geld, so das Fazit der Wissenschaftler. So sei „die Rate an unnötigen Röntgenuntersuchungen, die im Übrigen auch zur Chronifizierung von Schmerzen beitragen können, oder ungenauen OP-Indikationen ist noch immer sehr hoch", kritisiert Sportmediziner Fleckenstein. Diese Formen der Schmerztherapie durchzuführen, sei für Kliniken lukrative als der Betrieb einer schmerztherapeutischen Einrichtung.
Schmerzmittel und OPs: Nutzen zweifelhaft
Die Politik forderte er auf, die ökonomischen Rahmenbedingungen zu verändern. Der Anästhesist und Sportmediziner argumentiert: „Langfristig spart Schmerztherapie aus gesundheitsökonomischer Sicht viel Geld, wohingegen Tabletten und Operationen eher selten zu einer mittel- und langfristigen Schmerzlinderung führen.“