Pilzerkrankungen kennen drei verschiedene Stufen. Bei Menschen mit intaktem Immunsystem spielen sie diese in der Fachsprache „Mykosen“ genannten Krankheiten in der Regel auf der Körperoberfläche ab, also der Haut. Sie können mit „Antimykotika" behandelt werden, die in Form von Cremes oder Salben auf die Haut aufgetragen werden. Stufe zwei sind Pilzerkrankungen auf den Schleimhäuten des Verdauungstrakts – zum Beispiel der Zunge. Eine solche Mykose ist fast immer ein Anzeichen für ein geschwächtes Immunsystem. Die gefährlichste Form sind Mykosen, die den Körper nicht lokal befallen, sondern ganze Organsysteme oder Organismus als solchen – das „System Körper". Ist diese Dimension erreicht, spricht man deshalb auch von einer „systemischen" Erkrankung. Diese Pilzerkrankungen befallen normalerweise Menschen mit einem sehr geschwächten Immunsystem.
Pilzinfektionen: Gefährlich nach Chemotherapie oder bei Aids
„Besonders gefährdet sind ältere oder abwehrgeschwächte Patienten, beispielsweise mit Leukämie oder nach einer Organtransplantation“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Leibniz-Instituts Jena (HKI). Auch frisch operierte Patienten zählen dazu, Patienten, die eine Chemotherapie gemacht haben, oder Patienten mit Immunschwächekrankheiten wie zum Beispiel Aids. Für sie sind solche Mykosen sind lebensbedrohlich. Bei System-Mykosen gelangt der Erreger meist über die Lunge in den Blutkreislauf und befällt dann innere Organe.
Erreger zunehmend resistent gegen Medikamente
Trotz aller Fortschritte, die die moderne Hochleistungsmedizin in diesen Tagen verbuchen kann: Pilzinfektionen sind auch für sie „eine große Herausforderung“, schreibt das HKI und erklärt das damit, dass diese lebensbedrohlichen Infektionen oft zu spät erkannt werden, die Therapiemöglichkeiten weiterhin äußerst begrenzt sind – und die Erreger zunehmend resistent werdengegen die eingesetzten Medikamente.
Covid-19: Pilzinfektionen kommen über die Atemwege
Covid-19 verschärft das Problem noch. „Sars-CoV-2 infizierte Patienten haben ein höheres Risiko, ausgehend von den Atemwegen Pilzinfektionen zu entwickeln. Dabei nimmt auch der Schweregrad der Erkrankungen dramatisch zu“, warnt Axel Brakhage, Sprecher des Sonderforschungsbereichs „FungiNet“. Dieses Konsortium aus Forschenden von fünf deutschen Universitäten, Uniklinika und Instituten (in Jena und Würzburg) ist nach eigenen Angaben europaweit das einzige, das sich mit der Bekämpfung krankheitserregenden Pilzen befasst, mit dem Ziel, diese lebensbedrohlichen Infektionen besser zu verstehen und neue, dringend benötigte Therapieansätze zu entwickeln. Jetzt hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Projektförderung für diesen „Sonderforschungsbereich“ (SFB) erneut um vier Jahre verlängert.
Zwei Pilze verursachen die meisten Infektionen
„Die in den vergangenen Jahren gewonnenen Erkenntnisse in der Grundlagenforschung ermöglichen uns mehr und mehr, konkrete Anwendungen in der Diagnose und Therapie von schweren Pilzinfektionen zu entwickeln“, sagt Hermann Einsele, Klinikdirektor am Uniklinikum Würzburg und Co-Sprecher des SFB. 124 pathogene Pilze haben die ExpertInnen der Bereiche Mikrobiologie, Immunologie, Klinik, Bioinformatik und Chemie in dem Projekt erforscht – allen voran die Pilze „Aspergillus fumigatus“ und „Candida albicans“. Das klingt vielleicht etwas kryptisch: Aber das sind die beiden Erreger, die in Europa am häufigsten invasive Pilzinfektionen verursachen.
Wichtige Erkenntnisse über Infektionen konnten die WissenschaftlerInnen insbesondere beim Hefepilz Candida albicans gewinnen. So konnten sie aufklären, wie die Darmflora die Ausbreitung dieses Pilzes beeinflusst – und wie er durch bestimmte Immunzellen abgetötet werden kann. Die Ergebnisse aus den vergangenen vier Jahren schlugen sich in 190 Publikationen zu dem Thema in Fachmedien nieder.
Klinische Tests: Natürliche Killerzellen gegen Pilze
„In unserer Klinik behandeln wir häufig betroffene Patienten und wissen sehr genau, wo hier die Defizite liegen“, sagt Klinikchef Einsele. In der jetzt bevorstehenden Projektetappe geht es darum, die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse in eine bessere Behandlung von PatientInnen umzumünzen und unmittelbar klinisch anzuwenden.
Die Forschenden wollen unter anderem sogenannte Biomarker identifizieren, um die schwierige Diagnose der Pilzinfektionen zu verbessern. Darüber hinaus werden sie neue Therapieansätze in präklinischen Studien testen. „Große Erwartungen liegen auf bestimmten Zellen des Immunsystems wie den T-Zellen oder den Natürlichen Killerzellen“, heißt es beim an dem Projekt beteiligten Leibniz-Institut HKI. „Sie sind lernfähig und lassen sich trainieren, um eindringende Pilzerreger zu bekämpfen.“ T-Zellen werden in der Medizin schon genutzt, um Krebszellen zu zersetzen.