Für Frühchen ist Muttermilch besonders wichtig

Für Frühgeborene ist Muttermilch noch (über)lebenswichtiger als für normal geborene Babys. – Foto: AdobeStock/Colin
Zu früh geborene Kinder haben in der Regel mehr gesundheitliche Probleme und Risiken als reif geborene. Deshalb ist es für sie besonders wichtig, dass sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt Muttermilch erhalten. Darauf weist die Techniker Krankenkasse (TK) anlässlich des „Welt-Frühgeborenen-Tags“ 2022 hin. Muttermilch gilt als die perfekte Nahrung – und schützt die zerbrechlichen Frühchen zugleich wie ein liebevolles, natürliches Medikament.
Deutschland: Rund 65.000 Frühgeburten im Jahr
Von 100 Kindern wurden im Jahr 2021 durchschnittlich gut sechs Babys zu früh geboren. Das zeigt eine aktuelle Auswertung von Abrechnungsdaten für den Bereich der eigenen Versicherten. Da die TK aber im September die Marke von elf Millionen Versicherten überschritten hat und Deutschlands größte Krankenkasse ist, besitzt dieser Trend auch Aussagekraft für die Bevölkerung insgesamt. Insgesamt zählte die TK 2021 mehr als 7.300 Frühgeburten. Frühgeborene sind Kinder, die vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen. Für Deutschland insgesamt beziffert der „Bundesverband Das frühgeborene Kind" die Zahl auf etwa 65.000 Kinder pro Jahr.
Überlebenschancen für Frühchen heute viel größer
Dank der therapeutischen und technischen Fortschritte und eines neuen Bewusstseins in der Geburts- und Intensivmedizin haben Frühgeborene heute ungleich größere Überlebenschancen als noch vor einigen Jahrzehnten und bessere Aussichten, diesen Schock ohne bleibende Schäden zu überstehen – körperlich und seelisch. Trotzdem sind sie besonderen Risiken ausgesetzt – im Umfeld der Geburt wie im späteren Leben.
Frühgeburt: Akute und langfristige Gesundheitsrisiken
- Neben Atemstörungen zählen Hirnblutungen zu den gefürchteten Komplikationen, vor allem bei sehr kleinen Frühgeborenen. Aus verschiedenen Gründen kann es dabei zu Einblutungen ins Gehirn kommen.
- Frühchen sind besonders anfällig für Unterzuckerungen. Die körpereigenen Energiereserven sind kleiner, während ihr Bedarf erhöht ist. Weil sie wenig braunes Fett haben, müssen sie viel Energie aufwenden, um die Körpertemperatur zu halten.
- Frühgeborene sind im späteren Leben anfälliger für gewisse Erkrankungen und Störungen, wie zum Beispiel Asthma oder ADHS. Das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom kommt bei Frühgeborenen drei- bis viermal häufiger vor, selbst wenn die Familie genetisch nicht vorbelastet ist.
- Bei Intelligenztests im Rahmen von Nachuntersuchungen im Alter von fünf Jahren schneiden besonders kleine Frühgeborene im Schnitt etwas schlechter ab als regulär auf die Welt gekommene Altersgenossen.
- Frühgeborenen waren bei Nachuntersuchungen im Alter von fünf Jahren schneller aus der Puste, litten häufiger unter Entzündungen der Atemwege und waren etwas kleiner und zarter.
(Quellen: AOK, Baby und Familie)
Wie Muttermilch gegen bedrohliche Krankheiten schützt
Damit diese Risiken möglichst minimiert werden, weisen Mediziner auf die Bedeutung der Muttermilch hin, die bei Frühgeborenen noch einmal größer ist als bei regulär auf die Welt gekommen Kindern. „Muttermilch schützt gegen verschiedene Erkrankungen wie Lungen- und Augenprobleme oder Darmentzündungen, für die Frühgeborene ein erhöhtes Risiko haben", erklärt Professor Wolfgang Göpel, Neonatologe und Leitender Oberarzt an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, im Apothekenmagazin „Baby und Familie“.
Zehn unschlagbare Qualitätsmerkmale von Muttermilch
- Die Muttermilch ist perfekt den kindlichen Bedürfnissen angepasst: Sie stillt den Hunger, löscht den Durst und schützt dabei vor Überernährung.
- Muttermilch ist wohltemperiert, allzeit bereit, hygienisch – und bei noch kostenlos.
- Muttermilch enthält besondere Abwehr- und Schutzstoffe, die ein Kind langfristig vor Krankheiten wie Magen-Darm-Infekten oder Mittelohrentzündungen schützen, während der Stillzeit aber auch gegen akute Infektionskrankheiten wie Masern, Windpocken oder Erkältungen.
- Die langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren in der Muttermilch sind wichtig für die Entwicklung des kindlichen Gehirns und Nervensystems.
- Das Risiko des plötzlichen Kindstods wird durch Stillen vermindert.
- Das Zusammenspiel von in der Muttermilch enthaltenen Milchsäurebakterien und verschiedenen Kohlenhydraten hilft, eine gesunde Darmflora aufzubauen.
- Langfristig haben Kinder, die gestillt wurden, ein geringeres Risiko für einige Erkrankungen, wie zum Beispiel Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen (beispielsweise hohen Blutdruck), Diabetes mellitus und Leukämie.
- Stillen beugt der Entwicklung von Allergien vor.
- Stillen fördert die Kieferentwicklung und beugt womöglich auch Zahnfehlstellungen vor.
- Stillen zeigt eine positive Wirkung auf die kognitive Entwicklung von Kindern.
Muttermilch: Substanzen, die künstlicher Babymilch fehlen
Die Inhaltsstoffe von Muttermilch sind einzigartig. Sie unterstützen Babys beim Wachsen und Reifen – und kommen in künstlicher Muttermilch-Ersatznahrung größtenteils nicht vor. Hierzu zählen insbesondere:
- Wachstumsfaktoren, die die Reifung der Darmschleimhaut des Kindes unterstützen.
- Hormone, die als Botenstoffe für einen geordneten Ablauf körperlicher Prozesse sorgen. Sie regeln zum Beispiel den Appetit oder den Schlafrhythmus des Kindes.
- Enzyme sind wichtige Bestandteile des Stoffwechsels und fördern so zum Beispiel die Verdauung und Eisenaufnahme des Babys.
- Immunzellen und antimikrobielle Faktoren unterstützen das Immunsystem des Kindes.
(Quelle: AOK)
Deutschland: Überdurchschnittlich viele Frühgeburten
In Deutschland kommen mehr Kinder zu früh zur Welt als in vielen anderen Ländern. „Im internationalen Vergleich hat Deutschland viele Jahre eine relativ hohe Frühgeburtenrate aufgewiesen, ohne dass es eine Erklärung dafür gab“, bilanziert Jens Baas, der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse. „Umso wünschenswerter wäre jetzt zu untersuchen, welche Faktoren die aktuelle Entwicklung beeinflusst haben und ob sich die Frühgeburtenrate noch weiter senken ließe." Die aktuelle Analyse der TK für den Bereich ihrer Versicherten zeigt: In den vergangenen fünf Jahren sank die Frühgeburtenrate von Jahr zu Jahr – allerdings langsam und von einem relativen Niveau her kommend. 2017 lag sie noch bei 6,8 Prozent – 2021 bei 6,1 Prozent.
Der Trend unter Versicherten der TK decke sich mit der allgemeinen Entwicklung in Deutschland, sagte Richard Berger, Koordinator der medizinischen Leitlinie zur Prävention und Therapie der Frühgeburt. Allerdings liegen die statistischen Zahlen für die Gesamtbevölkerung höher. Die Daten von 2020 wiesen für die Gesamtbevölkerung eine Frühgeburtenrate von knapp unter 8 Prozent aus.