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Fünf häufige Irrtümer zur Patientenverfügung

Samstag, 15. Januar 2022 – Autor:
Muss sie notariell beglaubigt sein? Sind Partner im Notfall automatisch vertretungsbefugt? Haben die Ärzte das letzte Wort? Das sind Fragen, die für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung eine große Rolle spielen – aber zu denen viel Unsicherheit existiert und Halbwissen kursiert. Experten einer Kölner Patientenberatung räumen mit den fünf häufigsten Irrtümern auf.
Blanko-Formular einer Patientenverfügung mit rotem Kugelschreiber.

Beispiel-Formular einer Patientenverfügung. – Foto: AdobeStock/FM2

Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist ein elementares Recht und steht auch im Mittelpunkt medizinischer Entscheidungen. Konkret bedeutet es: dass ein Patient das Recht hat, jeder Untersuchungsmethode sowie operativen, medikamentösen oder sonstigen Therapie beziehungsweise Pflegemaßnahme zuzustimmen – oder sie abzulehnen.

Solange der Patient gesund und klar im Kopf ist und entscheidungsfähig, ist das kein Problem. Dann trifft er alle Entscheidungen selbst und artikuliert sie auch – egal ob mündlich oder schriftlich. Doch was ist, wenn ein Patient nicht mehr entscheidungsfähig ist? Dann wird seine in gesunden Zeiten verfasste schriftliche Patientenverfügung wirksam – so er eine hat.

Was eine Patientenverfügung leisten kann

Mit einer schriftlichen Patientenverfügung kann vorsorglich festlegt werden, welche medizinische und pflegerische Versorgung man für sich selbst im Not- und Pflegefall wünscht oder ablehnt. Dadurch kann sichergestellt werden, dass der Wille in jedem Fall umgesetzt werden kann – auch wenn man sich in der aktuellen Situation nicht (mehr) dazu äußern kann. Dafür müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden und Regeln beachtet werden.

Zu Patientenverfügungen kursieren allerdings verschiedene Irrtümer. Was falsch ist – und worauf man achten sollte, erläutern hier Experten des Patientendienstleisters „Compass Privat Pflegeberatung“ in Köln.

Irrtum 1: Alle Entscheidungen müssen juristisch genau ausformuliert sein

Ein Grund dafür, warum viele Menschen sich lieber nicht mit der Frage nach einer eigenen Patientenverfügung beschäftigen wollen, liegt in einer gewissen Unentschlossenheit und Unkenntnis der Sachlage. Das ist nachvollziehbar, muss aber nicht sein. Auch wenn Sie zum jetzigen Zeitpunkt keine Vorstellung davon haben (können), wie sich eine mögliche medizinische Behandlung oder Pflegesituation in der Zukunft konkret darstellen könnte, ist eine Patientenverfügung hilfreich.

Grundsätzlich reicht es natürlich, Ihre Wünsche und Vorstellungen schriftlich zu definieren. Stellen Sie dabei die für Sie wichtigsten Fragen: „Wie stehe ich zum Tod und zu lebenserhaltenden Maßnahmen? Was macht mir Angst? Was möchte ich auf jeden Fall ausschließen? Was ist mir besonders wichtig?“ Ihre grundsätzliche Haltung rund um die Themen „künstliche Ernährung“, „Wiederbelebung“ und „Organspende“ sollten sie dabei als Anhaltspunkte für weiteres Handeln schriftlich fixieren. So können Sie am ehesten sicher sein, dass Ihren Wünschen und Vorstellungen im Ernstfall entsprochen werden kann. Insgesamt gilt: Verzichten Sie auf allgemeine Formulierungen und beschreiben Sie konkret, in welchen Situationen Ihre Patientenverfügung gelten soll und welche Behandlungswünsche Sie in diesen Situationen haben.

Irrtum 2: Wünsche und Entscheidungen mündlich zu formulieren, reicht aus

Eine mündliche Absichtsbekundung gilt nicht als gültige Patientenverfügung und hat somit keinen Anspruch auf Durchsetzung. Der Gesetzgeber verlangt, dass eine Patientenverfügung schriftlich erstellt werden muss, um juristische Gültigkeit zu besitzen. Sie können dafür auch auf die Hilfe von Vordrucken oder zertifizierten Online-Anbietern zurückgreifen. Mündliche Äußerungen sind deshalb aber nicht komplett wirkungslos, denn sie müssen bei einer eventuellen Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens von dem Vertreter beachtet werden.

Bedenken Sie zur Verdeutlichung die Tragweite Ihrer Entscheidungen und die Pflicht zur Lebenserhaltung durch medizinisches Personal! Es geht für alle Beteiligten immerhin um nicht weniger als Leben oder Tod. Zur gegenseitigen Absicherung und auch zu Ihrer eigenen Sicherheit kann dank einer vorliegenden Patientenverfügung nur getan werden, was Sie selber entschieden haben.

Eine notarielle Beglaubigung ist für die Patientenverfügung übrigens nicht notwendig. Es empfiehlt sich aber, eine Patientenverfügung gemeinsam mit einem Arzt oder einer Ärztin zu besprechen und auch von diesen unterschreiben zu lassen. Zusätzlich empfiehlt es sich auch, eine „Vorsorgevollmacht" zu erstellen.

Irrtum 3: Partner und Kinder sind im Notfall automatisch vertretungsbefugt

Auch das stimmt nicht! Ohne eine entsprechende Vollmacht, zum Beispiel eine Vorsorgevollmacht, darf niemand Entscheidungen über Ihre Versorgung fällen. Das gilt für (Ehe-)Partner, Kinder und Ihnen nahestehende Personen gleichermaßen. Deshalb ist das Thema auch so wichtig. Eine Patientenverfügung regelt Ihre medizinische (Weiter-)Versorgung. Sie tritt aber auch erst dann in Kraft, sollten Sie zum entsprechenden Zeitpunkt keine eigenständigen Entscheidungen (mehr) treffen können. Die Vorsorgevollmacht ermächtigt zusätzlich von Ihnen ausgewählte Personen dazu, Entscheidungen für Sie zu treffen, wenn Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sein sollten.

Da sich Ihre Wünsche und Vorstellungen im Laufe der Jahre ändern können, ist es ratsam, eine Patientenverfügung von Zeit zu Zeit einzusehen und gegebenenfalls auch zu ändern. Eine bloße Kopie der Patientenverfügung ist für (Ehe-)Partner, Kinder und Ihnen nahestehende Personen übrigens nicht ausreichend. Möchten Sie Ihre Patientenverfügung mehreren Menschen zugänglich machen, müssen Sie eigene Exemplare anfertigen und auch selbst unterschreiben.

Irrtum 4: Meine Patientenverfügung wird ungültig, wenn sie nicht regelmäßig überarbeitet wird

Eine Patientenverfügung behält grundsätzlich ohne zeitliche Einschränkungen ihre Gültigkeit, wenn sie alle relevanten rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Wer eine Patientenverfügung aufsetzen will, muss volljährig und einwilligungsfähig sein. Außerdem muss die Patientenverfügung schriftlich abgegeben werden und Ihre Unterschrift tragen. So ist sie auch ohne notarielle Beglaubigung oder ärztliche Unterschrift gültig. Ihre Patientenverfügung tritt nur außer Kraft, wenn Sie sie widerrufen oder vernichten.

Solange Sie körperlich und geistig dazu befähigt sind, können Sie Ihre Patientenverfügung überarbeiten und abändern oder Ihren Willen, bzw. das Anwenden einer Maßnahme in einer bestimmten Situation, auch auf definierte Zeiträume festlegen. Es ist nicht unbedingt erforderlich, aber empfehlenswert, im eigenen Interesse regelmäßig zu überprüfen, ob einmal getroffene Festlegungen noch gelten sollen oder eventuell konkretisiert oder abgeändert werden sollen.

Irrtum 5: Ärzte und Angehörige haben das letzte Wort

Falsch! Juristisch betrachtet ist die Sachlage klar, denn grundsätzlich ist eine Patientenverfügung für Ärzte bindend. Würden diese gegen Ihren Willen handeln, würde Ihr Selbstbestimmungsrecht, also mithin Ihre Menschenwürde verletzt werden. Trotzdem müssen in der Praxis mehrere Punkte bedacht werden. Im Notfall werden Patienten durch medizinisches und ärztliches Personal natürlich grundsätzlich erst einmal behandelt, denn der Erhalt Ihres Lebens ist oberste Pflicht und darüber hinaus muss das Vorhandensein einer Patientenverfügung den Handelnden bekannt sein. Es kann daher sein, dass die Anwendung einer Patientenverfügung in einer Notfallsituation erst verspätet zum Tragen kommt.

Befinden Sie sich bereits in stationärer oder ambulanter Behandlung und die behandelnden Personen besitzen Kenntnis Ihrer juristisch eindeutigen Patientenverfügung, ist die Sachlage klar. Für Angehörige gilt: Liegt eine Patientenverfügung vor, dann haben ihre (Ehe-)Partner auch mit einer gültigen Vorsorgevollmacht keine Entscheidungsgewalt. Es sei denn, die Patientenverfügung lässt im entsprechend vorliegenden Fall Fragen offen, weil Inhalte oder Behandlungsmethoden irrtümlich oder falsch formuliert sind oder eventuell auch nicht erfasst wurden.

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
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