Frühere Infektion mit harmlosen Coronaviren wappnet auch gegen Sars-CoV-2

Seit mindestens 60 Jahren sind Coronaviren auf der Welt aktiv. Manche lösen lediglich einfache Erkältungen aus. Doch auch der Kontakt zu diesen harmlosen Coronaviren kann bei der Immunabwehr gegen die derzeit grassierende Covid-19-Krankheit hilfreich sein. – Foto: AdobeStock_321840095/peterschreiber.media
Coronaviren sind gar nicht neu. Sie wurden erstmals schon Mitte der 1960er-Jahre beschrieben, also vor über einem halben Jahrhundert. Bei allen vier Klassen von Landwirbeltieren – Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien – können sie Infektionskrankheiten hervorrufen. Beim Menschen sind sieben Arten von Coronaviren von Bedeutung. Das Spektrum der Krankheiten, die sie auslösen können, ist weit: Es reicht von leichten Atemwegsinfektionen (Erkältung, Grippaler Infekt) bis hin zum „Schweren akuten Atemwegssyndrom“ (engl.: Severe acute respiratory syndrome, Abkürzung: Sars), das seit Beginn der laufenden Pandemie allein in Deutschland mehr als 100.000 Tote gefordert hat.
Impfung und Genesung: Stärkster Schutz vor Covid-19
Entscheidend für die Bewältigung der Covid-19-Pandemie ist der Immunschutz der Bevölkerung gegen das innerhalb der Coronaviren-Familie besonders gefährliche Sars-CoV-2. Auf zweierlei Arten kann er aufgebaut werden: entweder durch eine Impfung; oder durch eine Ansteckung und eine glücklich durchgemachte Infektion.
Kontakt zu anderen Coronaviren: Dritte Art von Immunität
Ein Forschungsteam unter der Leitung der Universität Zürich (UZH) hat nun eine weitere Komponente identifiziert, die zur Sars-CoV-2-Immunität beiträgt: bestehende Antikörperreaktionen gegen andere, harmlose Coronaviren, mit denen man früher schon einmal in Kontakt gekommen ist. Das wichtigste Ergebnis vorab in einem Satz: „Personen, die ausgeprägte Immunantworten gegen menschliche Coronaviren haben, sind bis zu einem gewissen Grad auch vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 geschützt», sagt Alexandra Trkola, Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie der UZH.
Bei ihrem Coronavirus-Projekt analysierten die Forschenden mit einem eigens entwickelten Testverfahren zwei Dinge: Erstens die Menge an unterschiedlichen Antikörpern gegen die vier anderen gegenwärtig zirkulierenden menschlichen Coronaviren. Dafür untersuchten sie das Blutserum von 825 Spendern aus der Zeit von vor dem Auftreten von Sars-CoV-2. Zweitens analysierten sie 389 Proben von Spendern, die sich im Lauf der Pandemie mit Sars-CoV-2 infiziert hatten. „Kombiniert mit computergestützten Modellierungen ermöglicht diese Analyse präzise Vorhersagen, wie gut die Antikörper an eindringende Viren binden und sie neutralisieren“, heißt es dazu in einer Mitteilung der Universität Zürich.
Antikörper gegen harmlose Coronaviren schützen vor schweren Fälle und Krankenhaus
Die Forschenden konnten zeigen: Diejenigen Probanden, die sich mit Covid-19 ansteckten, hatten im Blut nur geringere Mengen an Antikörpern gegen die Erkältungs-Coronaviren – also weniger Kontakt zu ihnen in der Zeit davor. Zweitens zeigte sich: Covid-19-Patienten, die hohe Antikörperwerten gegen die harmlosen Coronaviren besaßen, mussten nicht so oft im Krankenhaus behandelt werden.
„Kreuzreaktion“: Immunität gegen ein Virus kann auch vor einem anderen schützen
„Laut unseren Ergebnissen führt eine stärkere Antikörperreaktion gegen humane Coronaviren auch zu höheren Antikörpermengen gegen Sars-CoV-2“, sagt Mikrobiologin Trkola. „Eine Person, die gegen harmlose Coronaviren eine Immunität hat, ist somit auch besser vor schweren Verläufen im Fall einer Sars-CoV-2-Infektion geschützt.“ In der Wissenschaft wird dies als „Kreuzreaktion“ bezeichnet. Diese tritt auch bei der Immunreaktion von T-Zellen auf, dem zweiten Pfeiler des menschlichen Immunsystems.
Verkürzter Krankheitsverlauf, mildere Symptomatik
Wie sind die aktuellen Erkenntnisse aus der Schweiz zur Corona-Immunität nun einzuordnen? Den besten Schutz gegen Sars-CoV-2 besitzen Menschen direkt nach einer durchgemachten Infektion oder nach einer wirksamen Impfung. Dann sind die Antikörpermengen gegen das Virus noch sehr hoch. Sinkt mit der Zeit ihre Konzentration, wird eine Infektion zwar nicht mehr verhindert, aber die Gedächtniszellen reaktivieren das Abwehrsystem rasch wieder – und zwar sowohl die Antikörperproduktion als auch die T-Zellabwehr. „Spezifisch gegen Sars-CoV-2 gerichtete Immunreaktionen, die von Gedächtniszellen ausgehen, sind natürlich weit wirksamer als kreuzreaktive“, sagt Virologin Trkola. „Aber obwohl der Schutz nicht komplett ist, verkürzen Kreuzreaktionen den Krankheitsverlauf und mildern dessen Schwere. Und genau das erreichen wir ja auch mit den Impfungen, nur viel, viel effizienter.“