Forscher wollen alte Antbiotika reaktivieren
Die Ausbreitung multiresistenter Krankheitserreger gilt inzwischen weltweit als ernstzunehmende Bedrohung. Da sich die Suche nach neuen Wirkstoffen jedoch sehr mühsam gestaltet, konzentrieren sich Wissenschaftler der Universität Tübingen auf eine neue Strategie: Sie wollen „alte“ Antibiotika so optimieren, dass sie bestenfalls auch wieder gegen resistente Keime wirken.
Dafür hat die Arbeitsgruppe von Professor Christoph Mayer vom Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen das Antibiotikum Fosfomycin ausführlich unter die Lupe genommen. Bei einigen bakteriellen Krankheitserregern ist das Antibiotikum bereits wirkungslos.
In ihrer Arbeit konnten die Forscher entdecken, wie krankheitserregende Bakterien der Gattung Pseudomonas einen wichtigen Baustein ihrer Zellwand recyceln und dabei die Wirkung des Antibiotikums Fosfomycin umgehen. Durch die Aufklärung dieser „inneren“ Resistenz haben sie möglicherweise einen Ansatzpunkt für den effizienteren Einsatz des Wirkstoffs gefunden.
Schwachstellen des Antibiotikums Fosfomycin aufgedeckt
Bakterien der Gattungen Pseudomonas und Acinetobacter verursachen vor allem in Krankenhäusern vielfach Wundinfektionen, lebensbedrohliche Lungen- und Hirnhautentzündungen sowie teilweise tödliche Blutvergiftungen (Sepsis) und besitzen eine hohe „innere“ Resistenz gegenüber einer Vielzahl antibiotischer Wirkstoffe. Die Zellhülle der Bakterien ist anders aufgebaut als die äußere Membran menschlicher Zellen und ein wichtiger Angriffspunkt für Antibiotika. Fosfomycin verhindert zum Beispiel den Aufbau der bakteriellen Zellhülle, indem es die Herstellung einer Vorstufe des Peptidoglykans hemmt. Die Tübinger Forscher fanden jedoch heraus, dass die Pseudomonas-Bakterien die Vorstufen nicht immer neu bilden, sondern teilweise auch die vorhandenen als Bausteine wiederverwenden. Folglich bleibt die Wirkung des Antibiotikums aus.
„Die Peptidoglykan-Vorstufen umgehen durch einen „Bypass“ den durch Fosfomycin gehemmten Schritt bei der Neubildung und schränken so die Wirksamkeit des Antibiotikums stark ein: nach Berechnungen werden circa 50 Prozent der Vorstufen aus Recyclingmaterial gebildet“, erklärt Professor Christoph Mayer.
Das Antibiotikum könnte mit einem passenden Wirkstoff kombiniert werden
Dieses Prinzip konnten die Wissenschaftler jedoch austricksen, indem sie zwei neuartige Gene unter Laborbedingungen einfach ausgeschaltet haben, die die im Recyclingweg notwendig waren. Dadurch gelang es, die „innere“ Resistenz gegen Fosfomycin zu überwinden, das Antibiotikum wirkte deutlich effizienter. Im richtigen Leben kann man zwar Gene nicht einfach ausknipsen, aber deren Produkte, die Enzyme. Enzyme sind nach Ansicht von Prof. Meyer gute Angriffspunkte für zusätzliche Medikamente.
„Wir kennen nun wichtige Ansatzpunkte, um die Wirkung von Fosfomycin zu optimieren. Sinnvoll wäre es, das Antibiotikum durch einen passenden Wirkstoff zu ergänzen, der das Peptidoglykan-Recycling hemmt“, erklärt Christoph Mayer. Der Infektionsmediziner ist überzeugt, dass die rationale Kombination bekannter Antibiotika mit neuen Wirkstoffen ein vielversprechender Ansatz bei der Entwicklung neuer Therapien darstellen könnte.
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