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Forscher warnen vor Überdiagnostik bei Prostatakrebs

Sonntag, 17. Mai 2015 – Autor:
Fast 50 Prozent aller Männer über 70 haben einen unentdeckten Prostatakrebs. Die meisten dieser Karzinome machen keinerlei Beschwerden. Forscher warnen deshalb vor Überdiagnosen und unnötigen Behandlungen.
Prostatakrebs

Droht eine Überdiagnostik bei Prostatakrebs? – Foto: BlueSkyImages - Fotolia

 Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern. In Deutschland erhalten rund 70.000 Männer pro Jahr die entsprechende Diagnose. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen dürfte sogar noch höher liegen, denn oft bleibt Prostatakrebs unentdeckt. Das bestätigt eine aktuelle Studie, nach der fast jeder zweite Mann über 70 Jahren einen latenten Prostatakrebs hat.

Die Tatsache, dass Prostatakrebs so oft unentdeckt bleibt, ist nach Auffassung der Studienautoren jedoch nicht unbedingt ein Problem – manchmal könnte sogar das Gegenteil der Fall sein. Denn die Forscher befürchten, dass mit immer genaueren Untersuchungsmethoden viel zu oft ein Prostatakrebs diagnostiziert und dann auch behandelt werden könnte, der auch ohne Therapie nie Probleme gemacht hätte. Sie warnen daher vor möglichen Überdiagnosen bei Prostatakrebs und den daraus resultierenden Behandlungen mit all ihren Nebenwirkungen.

Jeder Zweite über 70 hat latenten Prostatakrebs

Die Wissenschaftler vom Centre for Research in Evidence Based Practice in Gold Coast in Australien werteten für ihre Meta-Analyse 29 Studien aus, in denen insgesamt bei mehr als 8.000 Männern ohne vorbekannten Prostatakrebs im Rahmen der Autopsie die Vorsteherdrüse histologisch untersucht worden war. Das Ergebnis: Bei jedem zweiten Mann über 70 wurde nach seinem Tod ein Prostatakarzinom gefunden, das zu Lebzeiten unentdeckt geblieben war. Bei den 60- bis 69-Jährigen wies rund ein Drittel der Männer einen vorher nicht diagnostizierten Prostatakrebs auf, bei den über 80-Jährigen waren es 59 Prozent. Alle untersuchten Männer waren an einer anderen Todesursache verstorben.

Interessanterweise konnte über den gesamten Studienzeitraum, der die Jahre zwischen 1948 und 2013 einbezog, keine Steigerung der Prostatakarzinom-Prävalenz festgestellt werden. Im Gegensatz dazu steht die Detektionsrate, die vor allem mit der Verbreitung von PSA-Tests dramatisch angestiegen ist. Zwar ist nicht auszuschließen, dass es tatsächlich eine Steigerung von aggressiv wachsenden Tumoren gibt, doch zumindest bei langsam wachsenden Tumoren scheint dies nicht der Fall zu sein. Die steigenden Zahlen beim Prostatakrebs insgesamt könnten also auch nur durch die besseren Diagnosemethoden begründet sein.

Behandlung nicht immer notwendig?

Die Forscher um Studienleiterin Katy Bell warnen daher vor Überdiagnosen bei einem Prostatakrebs-Screening: „Wenn Biopsie und Beurteilung dieser Tumoren ante mortem stattgefunden hätten, wären wahrscheinlich viele als hochgradig eingestuft und aktiv behandelt worden“, so die Studienautoren. Sie fordern daher bessere Methoden zur Unterscheidung von aggressiven und harmlosen Prostatakarzinomen. Denn ernstzunehmen ist die Diagnose durchaus – immerhin sterben rund 12.000 Männer jedes Jahr an Prostatakrebs.

Foto: © BlueSkyImages, Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin

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