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Forscher testen Stammzelltherapie bei Arthrose

Samstag, 27. April 2013 – Autor:
Bei fortgeschrittener Arthrose hilft bislang nur der künstliche Gelenkersatz. Ärzte versuchen daher den Gelenkzerstörungsprozess so weit wie möglich hinauszuzögern. Ob das auch mit Stammzellen gelingen kann, untersuchen Wissenschaftler aus Würzburg derzeit in einer klinischen Studie.
Forscher testen Stammzelltherapie bei Arthrose

Eine Stammzelltherapie kann bei Arthrose die OP möglicherweise hinauszögern

Arthrose gehört mit rund fünf Millionen Betroffenen zu den weit verbreiteten Volksleiden in Deutschland. Bei der Gelenkerkrankung wird die Knorpelschicht eines Gelenks meist der Knie, Hüften und Hände nach und nach zerstört. Das Gelenk entzündet sich und schwillt an; betroffene Patienten leiden unter teilweise heftigen Schmerzen. Im Extremfall bleibt als einzige Therapieoption bislang nur der künstliche Gelenkersatz. Weltweit wird daher an alternativen Therapieoptionen geforscht.

Ob eine Therapie mit körpereigenen Stammzellen bei Arthrose helfen kann, wird derzeit weltweit in 18 registrierten Studien untersucht. Die einzige Studie dieser Art in Deutschland ist in Würzburg unter dem Dach des Muskuloskelettalen Centrums Würzburg (MCW) der Universität Würzburg angelaufen. Im Rahmen der klinischen Phase-1-Studie wurden erste Patienten bereits mit so genannten „mesenchymalen Stammzellen“ behandelt. Dabei handelt es sich um Vorläuferzellen des Bindegewebes, die sich teilen und in die verschiedenen Zellen des Stütz- und Bindegewebes differenzieren können, wie etwa Knochen, Knorpel, Bänder, Sehnen und Fettgewebe.

Erste Patienten mit fortgeschrittener Kniegelenks-Arthrose bereits erfolgreich behandelt

„Wir werden insgesamt sechs Patienten in diesem Jahr mit Stammzellen behandeln. Weitere zwölf Patienten erhalten die gleiche Therapie bei Projektpartnern im französischen Montpellier“, sagt Professor Ulrich Nöth, Leiter des Schwerpunktes Tissue Engineering/Regenerative Medizin an der Orthopädischen Klinik und Projektleiter der Pilotstudie.

Sechs Patienten mit fortgeschrittener Kniegelenks-Arthrose haben die Mediziner in Würzburg und Montpellier inzwischen mit Stammzellen behandelt. Bei allen war die Krankheit schon so weit fortgeschritten, dass der OP-Termin schon feststand, an dem sie ein künstliches Kniegelenk erhalten sollten. Nach Auskunft von Studienleiter Professor Nöth hätten alle Patienten die Therapie gut vertragen. „Über die ersten drei Monate hinweg geben alle Patienten an, dass sie seit der Stammzell-Injektion deutlich weniger Schmerzen verspüren als zuvor. Auch ihre Mobilität habe deutlich zugenommen: Viele gingen wieder einkaufen, selbst Treppensteigen ginge wieder besser – alles Tätigkeiten, zu denen sie vorher nur bedingt in der Lage gewesen seien.

Bei dem Eingriff entnehmen die Ärzte den Patienten mesenchymale Stammzellen aus dem Fettgewebe. Anschließend werden die entnommenen Zellen in einem Seziallabor einer französischen Blutbank zwei Wochen lang vermehrt. Danach bekommt sie der Patient in den Gelenkspalt injiziert.

Die Stammzellen lindern die Entzündung im Gelenk

Ob die Stammzellen dabei helfen, die zerstörte Knorpelschicht neu zu bilden, hält Nöth für weniger wahrscheinlich. „Wir wissen nur, dass die Zellen gegen den Entzündungsreiz wirken und damit die typischen Symptome deutlich lindern“, sagt Nöth. „Zur Neubildung  einer schützenden Knorpelschicht sind die Zellen wahrscheinlich nur teilweise in der Lage.“ Aus diesem Grund hält der Mediziner die Stammzelltherapie insbesondere für Patienten im Alter zwischen 40 und 50 Jahren mit einer moderat ausgeprägten Arthrose für geeignet. „Diese Patienten sind zu jung für eine Prothese und zu alt für eine Knorpelzelltransplantation“, sagt der Orthopäde. Bei ihnen könnte die Gabe von Stammzellen den Zeitpunkt, zu dem ein künstliches Gelenk fällig wird, signifikant nach hinten schieben.

Im nächsten Schritt werden die Mediziner die Dosis bei ihren Probanden erhöhen. Dann wird die Spritze zehn Millionen statt wie bisher zwei Millionen Zellen enthalten. Bis Ende 2013 sollen die Ergebnisse dieser Phase-1-Studie vorliegen. Wenn die Ergebnisse weiterhin erfolgsversprechend sind, wollen die Mediziner mit einer Phase-2-Studie beginnen. Ob das klappt, ist derzeit noch offen. „Für eine solche Studie benötigt man sehr viel mehr Patienten. Dann steigen die Kosten gleich auf mehrere Millionen Euro“, sagt er. Für einen Lehrstuhl oder eine Klinik sei das ohne Unterstützung durch Dritte nicht zu schaffen.

Die Phase-1-Studie läuft im Rahmen des von der EU mit insgesamt zwölf Millionen Euro finanzierten Forschungsprojekts ADIPOA - Adipose Derived Stromal Cells for Osteoarthritis Treatment. Rund eine Million Euro fließen dabei nach Würzburg.

© Scott Griessel - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
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