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Blinzeln, Räusern, Pfeifen: Wie Tics entstehen, fand ein Forscherteam der Charité - Universitätsmedizin Berlin heraus. Sie identifizierten das neuronale Netzwerk, das für die Entstehung von Tic-Störungen verantwortlich ist. Das könnte die Behandlung verbessern.
Tics sind meist kurze Bewegungen oder Lautäußerungen, die oft in rascher Abfolge und ohne ersichtlichen Bezug zur aktuellen Situation wiederholt werden. Starkes Blinzeln oder Kopfschleudern zählen zu den motorischen, Räuspern oder Pfeifen zu den vokalen Tics.
Dazu kommen Ängste, Zwänge, Depressionen
Eine bekannte Tic-Störung ist das Tourette-Syndrom. In vielen Fällen geht die Erkrankung mit weiteren Auffälligkeiten wie Ängsten und Zwängen, ADHS oder einer Depression einher, die soziale Ausgrenzung der Betroffenen ist eine häufige Folge, heißt es weiter in einer Pressemitteilung.
Schätzungen zufolge erfüllt etwa jedes hundertste Kind die diagnostischen Kriterien eines Tourette-Syndroms. Oft aber nicht immer schwächen sich die Symptome spätestens im Erwachsenenalter ab.
Tic-Störung durch Schädigung der Hirnsubstanz
Für die Studie nutzte das Forschungsteam 22 Fallbeschreibungen von Patienten mit einer äußerst seltenen Ursache von Tic-Störungen: Ihre Symptome waren auf eine Schädigung der Hirnsubstanz zurückzuführen – beispielsweise durch einen Schlaganfall oder Unfall.
Die Forschenden kartierten im Detail, wo sich die Verletzung der Hirnsubstanz befand und mit welchen anderen Hirnbereichen dieser Ort normalerweise über Nervenfasern verbunden wäre. Sie konnten zeigen, dass die Hirnschädigungen nahezu alle Teil eines gemeinsamen Nervengeflechts waren.
Forscher fanden heraus, wie Tics entstehen
Dieses Netzwerk umfasste die Inselrinde (Cortex insularis), die Gürtelwindung (Gyrus cinguli), das Striatum, den Globus pallidus internus, den Thalamus sowie das Kleinhirn. Erstautor Bassam Al-Fatly: "Diese Strukturen sind über das gesamte Gehirn verteilt und haben unterschiedlichste Funktionen, von der Steuerung der Motorik bis zur Verarbeitung von Emotionen. Jetzt wissen wir, dass diese Hirnbereiche ein Netzwerk bilden und tatsächlich die Ursache für Tic-Störungen sein können."
Die Verhaltensstörungen sind auf Fehlfunktionen innerhalb dieses Netzwerks zurückzuführen, ergänzt Letztautor Dr. Andreas Korn. Die Forscher fanden also heraus, wie Tics entstehen. Sie glichen ihr Ergebnis mit dem Behandlungs-Ergebnis von 30 Patienten mit Tourette-Syndrom ab. Denen waren an drei europäischen Behandlungszentren Hirnschrittmacher-Elektroden implantiert worden. Eine solche tiefe Hirnstimulation kommt in besonders schweren Fällen zum Einsatz, wenn verhaltenstherapeutische und medikamentöse Ansätze nicht ausreichend wirken.
Elektroden stimulierten das Tic-Netzwerk
Die Berliner Wissenschaftler bestimmten anhand von Hirnscans für jeden der 30 Tourette-Betroffenen, wo exakt die Elektroden des Hirnschrittmachers positioniert worden waren. Tatsächlich zeigte sich, dass die Symptome der Betroffenen am stärksten zurückgingen, je präziser die Elektroden das Tic-Netzwerk stimulierten.
"Diese neue Erkenntnis werden wir in die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten mit einfließen lassen, indem wir bei der Implantation des Hirnschrittmachers das Tic-Netzwerk berücksichtigen. Wir hoffen, dass wir so den hohen Leidensdruck für die Betroffenen noch besser abmildern können, um ihnen ein weitestgehend selbstbestimmtes und sozial erfülltes Leben zu ermöglichen", sagt Dr. Christos Ganos, Erstautor der Studie und oberärztlicher Leiter der Ambulanz für Tic-Störungen an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie am Charité Campus Mitte.