Flüchtlinge leiden häufig unter psychischen Erkrankungen

Füchtlingskinder sind häufig traumatisiert – Foto: Lydia Geissler - Fotolia
Schätzungen zufolge leiden rund 50 Prozent der Flüchtlinge unter Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Viele haben traumatische Dinge erlebt, waren Gewalt und Folter ausgesetzt oder haben ihre Familien verloren. Die Situation im neuen Land verstärkt die Probleme häufig noch, denn hier warten überfüllte Unterkünfte und eine unsichere Zukunft auf sie. Das löst nicht selten psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder schwere Anpassungsstörungen aus. Auch die Anzahl der Suizidversuche ist unter Flüchtlingen höher als in der Allgemeinbevölkerung, wie Dr. Meryam Schouler-Ocak, leitende Oberärztin der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus und Leiterin des Referats für Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), erläutert.
Hindernisse im Gesundheitssystem
Weitere Faktoren erhöhen für Flüchtlinge das Risiko für psychische Probleme: Sie müssen sich an komplett neue Lebensumstände gewöhnen, können nicht arbeiten und im Gesundheitssystem stoßen sie auf sprachliche, kulturelle und administrative Hindernisse. „All diese Faktoren beeinflussen das Auftreten, den Verlauf und die Behandlung von psychischen Erkrankungen weiter. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Prävalenz für psychische und körperliche Gesundheitsprobleme steigt, je länger das Asylverfahren dauert“, so Meryam Schouler-Ocak.
Auch bei Flüchtlingskindern sind Posttraumatische Belastungsstörungen häufig. Im Durchschnitt leiden sie 15-mal häufiger an einer PTBS als Kinder, die in Deutschland geboren wurden. Viele von ihnen haben Krieg, Erschießungen, Scheinexekutionen oder Vergewaltigungen miterleben müssen, manche haben ihre Eltern oder andere Familienmitglieder verloren. Auch die oft monatelange Flucht nach Europa und das Erleben von Hunger und Durst stellen übermäßige körperliche sowie psychiche Belastungen dar. In Europa angekommen, erleben sie dann häufig soziale Isolation und Diskriminierung.
Psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen verbessern
In einem Positionspapier ruft die DGPPN deshalb die Bundesregierung zum Handeln auf. „Screenings auf psychische Erkrankungen müssen bei Flüchtlingen im Rahmen der medizinischen Erstuntersuchungen zur Regel werden“, erläutert DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth die Forderungen der Gesellschaft. Und um die Fachkräfte im Gesundheitswesen und in den Erstaufnahmeeinrichtungen für die psychosoziale Situation der Geflüchteten zu sensibilisieren, seien gezielte Schulungen unverzichtbar. Auch der regelhafte Einsatz und die Finanzierung von Sprach- und Kulturmittlern seien notwendig, um die sprach- und kulturgebundenen Zugangsbarrieren zu senken, so Hauth.
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