
Gemüsebrühe, Tee, Apfel: Die Universität Witten/Herdecke ließ Diabetiker vom Typ 1 unter ärztlicher Aufsicht fasten. Dabei zeigte sich: Auch für diese Patientengruppe ist Fasten offenbar ohne Gesundheitsrisiken möglich. – Foto: AdobeStock/Johanna Mühlbauer
Weniger ist mehr. Und das kann heilsam sein. Der freiwillige Verzicht auf feste Nahrung über einen bestimmten Zeitraum wird in zahlreichen Kulturen und Religionen als spirituelle Übung praktiziert. Und: Er ist aus der modernen Naturheilkunde nicht mehr wegzudenken. Selbstreinigung des Körpers, Fettabbau, Verbesserungen im Stoffwechsel, Rückgang von Entzündungen: Das sind nur einige der positiven Effekte, die mit dem Fasten verbunden werden.
Fasten bei Diabetes: Nur wenige Ärzte gehen mit
Für den Gesunden gilt: Wer fasten will, kann sofort loslegen. Anders ist das zum Beispiel bei Menschen, die am Diabetes-Typ 1 leiden: Ihnen wird bisher vom Fasten abgeraten. Begründet wird das vor allem mit der komplizierten Steuerung des Insulinhaushalts. Nur wenige Ärzte sind offenbar bereit, Menschen mit Typ-1-Diabetes während des Fastens zu betreuen. Doch das könnte sich ändern. Eine Studie der Universität Witten/Herdecke zeigt: Fasten ist auch mit Typ-1-Diabetes möglich.
30 Probanden: Heilfasten nach der Buchinger-Methode
Wissenschaftler der Privatuniversität in Nordrhein-Westfalen haben in einer Studie die Machbarkeit, die positiven Auswirkungen und auch fastenbedingte Nebenwirkungen untersucht. Dazu fasteten 20 Personen mit und eine Referenzgruppe von 10 Personen ohne Diabetes sieben Tage nach dem Buchinger-Programm. Das Buchinger Fasten ist eine leitlinienbasierte multimodale Intervention, und umfasst neben der Einnahme von Flüssigkeiten wie Brühe, Gemüsesaft, Wasser und Tee auch Bewegung, ressourcenorientiertes Training und Achtsamkeit. Selbstverständlich wurde die Insulindosierung an das Fasten angepasst und alle Werte regelmäßig kontrolliert.
Blutzuckerwerte überwiegend im Zielbereich geblieben
Ergebnisse der Studie: Die Blutzuckerwerte sind überwiegend im Zielbereich geblieben; es gab keine schweren Hypo- oder Hyperglykämien (Unter-/Überzucker). Signifikant verbessert haben sich demnach das Gewicht und der Body-Mass-Index (BMI) – und zwar sowohl direkt nach dem Fasten als auch in der Anschlusszeit. In der qualitativen Teilnehmerbefragung vier Monate nach der Intervention konnten neben den physischen Verbesserungen deutliche Änderungen im Diabetes-Management festgestellt werden: eine gesteigerte Flexibilität im Umgang mit Essensvorschriften und die Entwicklung der Fähigkeit zum intermittierenden Fasten.
Fasten trotz Diabetes: Studienautoren erhalten Medizinpreis
Für ihre offenbar ungewöhnliche Pilotstudie haben die Forscher vom Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin der Uni Witten/Herdecke um Gesundheitswissenschaftlerin Bettina Berger jetzt den „Holzschuh-Preis" für Komplementärmedizin erhalten. Die Studie stelle einen „Meilenstein in der zukünftigen Behandlung auch von Typ-1-Diabetiker*Innen“ dar, urteilte die Jury. Sicherheit und Nutzen einer komplexen Fasteninvention seien nun gut belegt. Die Methode könne damit künftig bei breiteren Patientenkreisen Anwendung finden. Mit den Diabetikern habe in der Studie außerdem eine Patientengruppe im Mittelpunkt gestanden, die sonst wenig von der Komplementärmedizin profitiere könne.
Was ist „Komplementärmedizin“?
Der Holzschuh-Preis für Komplementärmedizin wird jährlich ausgeschrieben und gilt als einer der wichtigsten Preise im Bereich der sogenannten integrativen Medizin. Sie hat den Anspruch, Schul- und Alternativmedizin nicht als ein Entweder-Oder zu sehen, sondern – einander ergänzende – Qualitäten beider Richtungen zum Wohl von Patienten zu kombinieren.