Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Experten: Dreimal soviel Tote durch Suizid wie Verkehrstote

Mittwoch, 9. September 2015 – Autor: Angela Mißlbeck
Jedes Jahr sterben in Deutschland dreimal soviel Menschen durch einen Suizid wie im Straßenverkehr. Besonders betroffen sind Ältere und Migranten. Auch Flüchtlinge weisen ein hohes Suizidrisiko auf. Das Nationale Suizid Präventionsprogramm (Naspro) fordert deshalb mehr Anstrengungen in der Suizidprävention.
Mehr Suizidprävention könnte viele Leben retten, meinen Experten.

Letzter Ausweg Suizid? Prävention kann Leben retten, meinen Experten – Foto: eyetronic - Fotolia

Rund 10.000 Menschen sterben in Deutschland laut Naspro jedes Jahr infolge eines Suizids. Etwa zehnmal so viele Suizidversuche schätzt das Bündnis. „Es gibt fast dreimal soviele Suizide wie Verkehrstote, aber nicht dreimal so viel Geld“, kritisierte der Naspro-Vorsitzende Professor Armin Schmidtke im Vorfeld des Welttages der Suizidprävention.

Schmidtke zeigte sich erfreut, dass die Politik das Thema endlich aufgegriffen hat. „Wir sind froh, dass das Thema nach Jahren der Anstrengung in den Bundestag gekommen ist und wünschen uns eine überfraktionelle Erklärung“, sagte Schmidtke. Er warnte jedoch davor, dass die parlamentarische Initiative für mehr Suizidprävention im Zwist der Parteien zerlegt werden könnte.

Naspro: Suizidprävention wirkt

Die Initiative zur Stärkung der Suizidprävention haben die Grünen im Rahmen der Bundestagsdebatten zur Sterbehilfe im Frühsommer gestartet. „Wir wollen nicht, dass das Thema dem parteipolitischen Gezänk zum Opfer fällt“, so der Naspro-Vorsitzende weiter. Er kritisierte aufs Schärfste, dass in der Bundestagsdebatte alte Vorurteile laut geworden seien, wie etwa, dass man niemand davon abhalten könne, der den Entschluss zum Suizid gefasst habe.

„Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Personen, denen über Krisen geholfen wird, selten einen Suizidversuch wiederholen“, stellte Schmidtke klar. Er widerlegte auch das Argument, dass Suizidenten einen anderen Ort wählen würden, wenn die Brücke oder das Eisenbahngleis, das sie aufsuchen wollten, plötzlich gesichert ist.

Naspro fordert daher, dass Suizidprävention nicht nur im Sozialgesetzbuch, sondern unter anderem auch in Lehrplänen und Bauvorschriften verankert wird. „Suizidprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Schmidtke.

Motive für einen Suizid sind laut Naspro unter anderem soziale Isolierung, Zukunftsangst und Hoffnungslosigkeit. Deshalb sind auch immer mehr ältere Menschen unter den Suizidenten. Jeder zweite Suizid einer Frau in Deutschland sei der einer über Sechzigjährigen, so Schmidtke. Auch Angst vor unheilbaren Erkrankungen, Fremdbestimmung und Autonomieverlust spiele dabei eine Rolle.

Migranten haben hohes Suizidrisiko

Ein deutlich erhöhtes Suizidrisiko weisen den Naspro-Angaben zufolge aber auch Migranten und besonders Flüchtlinge auf. „Auch die Flüchtlinge und Asylbewerber zählen zu den Hochrisikogruppen für Suizide und Suizidversuche. Auch sie dürfen nicht allein gelassen werden“, so Privatdozentin Dr. Meryam Schouler-Ocak von der psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im Berliner St. Hedwig-Krankenhaus.

Die Rate für posttraumatische Belastungsstörungen ist laut Schouler-Ocak bei Flüchtlingen um das zehnfache höher als in der Allgemeinbevölkerung, zugleich würden auch andere psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen gehäuft auftreten. Sie sind ebenfalls Risikofaktoren für einen Suizid.

Schouler-Ocak appellierte daher, Netzwerke zur Versorgung dieser Patienten bei Suizidgefahr zu bilden. Ärzten empfahl sie, suizidgefährdete Flüchtlinge im Zweifelsfall zur Krisenintervention in die Klinik einzuweisen.

Foto: eyetronic - fotolia.com

Weitere Nachrichten zum Thema Suizidprävention

Am Internationalen Tag der Suizidprävention wollen Experten Vorurteile abbauen und Fakten bekannter machen. Zudem betonen sie ausdrücklich, dass Menschen mit Suizidgedanken wirksam geholfen werden kann. Wichtig ist es, über das Thema offen zu sprechen.

Suizide gehören nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen. Ein internationales Forscherteam hat nun in einer Meta-Analyse herausgefunden, dass sich durch ein Drei-Säulen-Modell Selbsttötungen am wirkungsvollsten verhindern lassen.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin