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"Europas Onkologie muss mit einer Stimme sprechen"

Montag, 1. November 2010 – Autor:
Am 29. Oktober ging in Berlin das Europäische Forum Onkologie 2010 zu Ende. Vertreter der europäischen Spitzenforschung hatten sich gemeinsam mit Vertretern von Krebsorganisationen und Gesundheitsbehörden darüber beraten, wie die Krebsbekämpfung EU-weit verbessert werden kann - und hierzu ein Berliner Memorandum verabschiedet.
Prof. Dr. Dr. Peter M. Schlag auf dem Europäischen Forum Onkologie

Prof. Dr. Dr. Peter M. Schlag auf dem Europäischen Forum Onkologie

 

In dem 10-Punkte-Papier fordern die Experten vor allem eine stärkere länderübergreifende Zusammenarbeit aller massgeblichen Institutionen - von Forschungseinrichtungen über Comprehensive Cancer Center bis hin zur Gesundheitspolitik. "Angesichts der Komplexität von Krebs ist ein enger, interdisziplinärer Austausch zwischen Forschung und Gesundheitsversorgung auf EU-Ebene unabdingbar, erklärte der wissenschaftliche Leiter des Forums und Direktor des Charité Comprehensive Cancer Centers Berlin, Prof. Dr. Dr. Peter. M. Schlag. Diese Meinung teilte auch der Präsident der European Cancer Organisation (ECCO), Prof. Dr. Michael Baumann: "Wenn wir die Fortschritte der Krebsforschung schneller in präventive und therapeutische Nutzen für die Patienten umsetzen wollen, dann muss sich Europas Onkologie zusammenschliessen und mit einer Stimme sprechen."

Schnellere Prozesse bis zur klinischen Anwendung

Mit derzeit 3,2 Millionen Neuerkrankungen - bei steigender Tendenz - und 1,7 Millionen Todesfällen pro Jahr ist und bleibt Krebs eine Herausforderung für Europa. Insbesondere die Erwartungen an die Forschung sind hoch. Dank Molekulardiagnostik können Wissenschaftler immer mehr Tumorarten in verschiedene Klassen kategorisieren. In zehn Jahren, schätzt Michael Baumann, wird man das Mamakarzinom in 15 Subgruppen unterteilen können. Den wachsenden Datenmengen wird aber eine immer kleinere Patientenklientel gegenüberstehen. Nicht nur der Mangel an "kritischer Masse" fordert die Krebsforscher heraus. Mit den stetig neuen Erkenntnissen aus dem Labor, steigen auch die Erwartungen an eine personalisierte Medizin, bei der der richtige Patient das richtige Medikament zum richtigen Zeitpunkt bekommen soll. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg, Prof. Dr. Otmar D. Wiestler, drückte es so aus: "Der rasante Fortschritt in der Forschung erhöht den Druck, die Befunde aus dem Labor noch schneller in einen klinischen Nutzen für die Patienten zu überführen." Gut zehn Jahre dauert es, bis eine neue Substanz erstmals in die klinische Anwendung kommt. Dieser Prozess müsse unbedingt beschleunigt werden, meinte Wiestler.

Gemeinsame Krebsbekämpfung

Nach Ansicht der Experten können nur grosse Forschungsverbünde diese Herausforderung meistern. Doch um in der Krebsbekämpfung erfolgreich zu sein, bedarf es weiterer Anstrengungen. Die 2009 von der EU-Kommission gegründete "Europäische Partnerschaft für Massnahmen zur Krebsbekämpfung" erarbeitet deshalb Massnahmen zur Krebsbekämpfung in zehn Handlungsfeldern. Mehr als 300 Krebsorganisationen und Gesundheitsbehörden arbeiten gemeinsam an dem Ziel, die Zahl der Krebsneuerkrankungen bis 2020 um 15 Prozent zu senken. In einem Handlungsfeld untersuchen Wissenschaftler unter Führung von Dr. Josep M. Borràs, Direktor Catalan Cancer Strategy, Barcelona, warum die Heilungserfolge in den einzelnen EU-Ländern sehr unterschiedlich sind. "Noch ist nicht klar, welche Faktoren in welchem Masse dazu führen, dass etwa die Überlebensraten in den skandinavischen Ländern mit über 50 Prozent über dem europäischen Durchschnitt liegen", sagte Borràs. "Deshalb analysieren wir Faktoren wie Früherkennung, Behandlungsstandards und die psychosoziale Versorgung, um best-cancer-practices zu identifizieren und die Behandlungsleitlinien europaweit zu harmonisieren."

Im Berliner Memorandum haben die Teilnehmer des Europäischen Forums Onkologie die zehn dringendsten Handlungsfelder zur Verbesserung der Krebsbekämpfung in Europa zusammengefasst: 

Das Berliner Memorandum zur Verbesserung der Krebsbekämpfung in Europa

  1. Die institutionalisierte, interdisziplinäre Zusammenarbeit in Früherkennung, Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen muss weiter ausgebaut werden.
  2. Onkologischen Zentren fällt eine wichtige Rolle in der regionalen Umsetzung interdisziplinärer Arbeit zu.
  3. Die translationale Forschung - die schnellere Übertragung von Erkenntnissen der Grundlagenforschung in Netzwerke klinischer Studien - muss gestärkt werden.
  4. Der Eingang gesicherter Fortschritte der Medizintechnik in die Routineversorgung von Krebserkrankten muss beschleunigt werden.
  5. Überholte Verfahren müssen schneller abgebaut werden.
  6. Der Aufbau eines sektorenübergreifenden Qualitätsmanagements in der Krebstherapie ist essentiell wichtig und muss durch kompatible IT-Systeme, welche den Anforderungen an den Datenschutz gerecht und die länderspezifischen Versorgungssysteme berücksichtigt werden.
  7. Die Medikamentenzulassung muss an die neuen Anforderungen einer zunehmend individualisierten, molekular plan- und steuerbaren Tumortherapie angepasst werden.
  8. Anreizsysteme müssen geschaffen werden für eine breit angelegte Versorgungsforschung auch nach Medikamentenzulassung.
  9. Die Kosten-Nutzen-Bewertungen in der Krebstherapie in der EU müssen fair, transparent und nachvollziehbar organisiert werden.
  10. Eine enge Zusammenarbeit zwischen der Gesundheitsforschung und der Gesundheitsversorgung auf nationaler und auf EU-Ebene ist unabdingbar und weiter auszubauen.

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