EU erlässt fragwürdige Vorgabe für Säuglingsnahrung
Eine neue EU-Vorgabe zur Zusammensetzung von Säuglings- und Folgenahrungen sorgt für Kopfschütteln bei Ärzten. Die Regelung gilt ab Februar 2020 und sieht nach Ansicht von Experten gravierende Änderungen vor, die die gesunde Entwicklung von Babys beeinträchtigen könnte. Konkret geht es um die zugesetzten Omega-3-Fettsäuren, die nun nicht mehr der Muttermilch und auch nicht mehr den Zusätzen in den bisher angebotenen Säuglingsnahrungen entsprechen.
„Es geht um die Anreicherung der Milchnahrung mit den besonders wertvollen langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die das Baby für die ungestörte Entwicklung von Gehirn, Nervensystem und Sehvermögen benötigt“, erläutert Professor Dr. Berthold Koletzko, Stoffwechselexperte der Universitäts-Kinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit.
EU streicht wertvolle Omega-3-Fettsäure von der Zutatenliste
Nach dem neuen EU-Standard (VO2016/127) müssen künftig alle Säuglings- und Folgenahrungen ab Februar 2020 den Zusatz der Docosahexaensäure DHA in einer zwei- bis dreifach höheren Konzentration enthalten als die mittleren Gehalte in Muttermilch und bisher verwendeten Säuglingsnahrungen. Für einen Zusatz der ebenso wichtigen Arachidonsäure AA besteht dagegen keine Verpflichtung mehr.
AA wichtig für Gehirn, Nerven und Immunsystem
Sowohl die Fettsäure DHA als auch AA sind für die Feineinstellung des Gehirns und des Nervensystems sowie des Immunsystems zuständig, also für die gesunde Entwicklung von Säuglingen elementar. Dass nun keine AA mehr in Fertigmilchpulvern enthalten sein muss, hält Koletzky für hoch problematisch. So weiche die vorgeschlagene neue Zusammensetzung der Säuglingsnahrung ganz erheblich von der Zusammensetzung der Muttermilch ab, in der DHA und AA immer zusammen enthalten seien. In der Regel enthalte Muttermilch sogar eine höhere Konzentration an AA als DHA.
„Die von der Europäische Kommission vorgeschriebene Zusammensetzung der fertigen Babynahrung weicht auch von derjenigen der seit zwei Jahrzehnten in Europa und vielen anderen Ländern der Welt verwendeten Säuglingsnahrung, deren Eignung und Sicherheit in vielen klinischen Studien belegt ist“, so der Vorstand der Stiftung Kindergesundheit. Dagegen sei die Eignung und Sicherheit der neuartigen Konzeption bisher nicht durch klinische Studien belegt.
Auf AA-Gehalt in der Säuglingsnahrung achten
In einer gemeinsamen Stellungnahme raten die Europäische Akademie für Kinderheilkunde und die Stiftung Kindergesundheit dringend dazu, für nicht oder nicht vollgestillte Säuglinge auch künftig nur solche Säuglingsnahrungen zu verwenden, die neben DHA auch mindestens die gleiche Menge Arachidonsäure AA enthalten.
Der Zusatz von AA ist nach der neuen Regelung nicht verboten, er wird bloß nicht mehr vorgeschrieben. Erste Fertignahrungen ohne AA werden bereits auf dem europäischen Markt angeboten. Bislang konnten Eltern darauf vertrauen, dass fertige Säuglingsnahrung fürs Fläschchen, eine möglichst identische Zusammensetzung wie die Muttermilch enthält. Damit ist nun Schluss. Muttermilch gilt als die hochwertigste Nahrung für Säuglinge.
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