
Die Glutenunverträglichkeit Zöliakie ist eine chronische Darmerkrankung. In wenigen Jahren könnte es erstmals eine Behandlungsmöglichkeit geben
Getreidesorten wie Weizen, Gerste oder Roggen sind für Menschen, die an einer Zöliakie leiden, tabu. Die strenge Diät ist bislang die einzige Behandlungsmöglichkeit. Schon kleinste Mengen des Klebereiweißes verursachen eine Entzündung in der Darmschleimhaut, die zu schweren Durchfälle und Bauchschmerzen führt. Längerfristig verringert sich die Oberfläche des Dünndarms, wodurch nicht mehr genügend Nährstoffe aufgenommen werden. Da sich die Zöliakie nicht nur auf den Darm beschränkt, wird sie auch als Systemerkrankung angesehen.
Die erste Behandlung gegen Zöliakie ist wohl ein Medizinprodukt
Medikamente gegen die Glutenunverträglichkeit werden derzeit in klinischen Studien untersucht. Sie haben den Nachteil, dass sie ins Immunsystem eingreifen und daher sehr wahrscheinlich erhebliche Nebenwirkungen machen. Zudem ist mit einer Zulassung in den nächsten Jahren nicht zu rechnen.
Wissenschaftler der TU Wien haben nun ein anderes Verfahren entwickelt: Ein Medizinprodukt, das die Gluten-Moleküle direkt attackiert und unschädlich macht ohne ins Immunsystem einzugreifen, könnte die erste Behandlung gegen Zölikaie sein, wie die Uni jetzt meldet. Da die Zulassung von Medizinprodukten schneller geht als von Medikamenten, könnte das Mittel schon 2021 in Apotheken erhältlich sein.
Gluten-Molekül wird umklammert, Symptome unterdrückt
Wie funktioniert die neue Therapie gegen Zöliakie? Dazu muss man wissen, dass unser Körper Antikörper gegen eindringende Antigene-produziert. Durch diese Immunreaktion werden die Antigene - in diesem Fall gegen Gluten-Moleküle -unschädlich gemacht. „Wenn man nun ein neuartiges Antikörpern-Fragment findet und herstellt, das an das eindringende Gluten-Molekül andockt und es blockiert, ohne aber das Immunsystem anzuregen, dann kann man die Symptome der Zöliakie unterdrücken“, erklärt Prof. Oliver Spadiut, Leiter der Forschungsgruppe Integrierte Bioprozessentwicklung an der TU Wien.
In dem Forschungsprojekt ist es den Wissenschaftlern gelungen, einen Komplex aus zwei neuartigen Antikörper-Fragmenten herzustellen, die das Gluten-Molekül molekular umklammern, sodass es keine weiteren Auswirkungen im Darm mehr haben kann. Dafür mussten bestimmte Bakterien so umprogrammiert werden, dass sie genau das gewünschte Antikörper-Fragment herstellen. „Die Bildung solcher Proteine in einem Bakterium ist ein höchst komplizierter Prozess“, erklärt Oliver Spadiut. Daher habe die Entwicklung des neuen Verfahrens eine Weile gedauert. „Aber nun haben wir ein Verfahren entwickelt, das gut reproduzierbar ist, auf industriellen Maßstab skaliert werden kann und eine sehr gute Ausbeute des gewünschten Produkts liefert.“
Vermutlich ab 2021 auf dem Markt
Nach Auskunft der Wiener Wissenschaftler wird es sich um ein Präparat handeln, das Zöliakie-Patienten zusammen mit glutenhaltigen Lebensmitteln einnehmen können, um die Zöliakie-Symptome zu lindern. Ob die Symptome dadurch ganz verschwinden oder nur abgeschwächt werden, müsse sich erst zeigen. „Das ist wohl auch von Person zu Person unterschiedlich“, so Spadiut. Er rechnet jedenfalls fest damit, dass das Produkt bereits im Jahr 2021 in gewöhnlichen Apotheken zu haben sein wird.
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