Erste menschliche Blutstammzellen aus dem Labor
Seit Jahren suchen Wissenschaftler nach Wegen, hämatopoetische Stammzellen, auch Blutstammzellen genannt, im Labor zu erzeugen. Blutstammzellen entstehen im Knochenmark und können sich zu allen Blutzellen, also zu Leukozyten, Erythrozyten und Thrombozyten, weiterentwickeln. Da die Stammzellen jedoch nur eine begrenzte Lebensdauer haben, müssen sie ständig vom Körper neu produziert werden. Bei einigen Erkrankungen wie beispielsweise bei Leukämien ist dieser Prozess jedoch gestört. Patienten benötigen dann unter Umständen eine Knochenmarksspende – was jedoch mit erheblichen Risiken verbunden ist.
Künstliche Stammzellen produzieren alle wichtigen Blutzelltypen
Nun ist es Forschern vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston im US-Staat Massachusetts gelungen, Blutstammzellen im Labor zu züchten. Im Mausmodell produzierten die Stammzellen dann tatsächlich unterschiedliche Blutzellen. Die Ergebnisse ihrer Forschungen veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature.
Das Team um George Daley war in zwei Schritten vorgegangen: Zunächst wandelten sie menschliche pluripotente Stammzellen mit chemischen Signalen in spezielle embryonale Endothelzellen um. Diese programmierten sie dann mit Hilfe von bestimmten Transkriptionsfaktoren, die sie mit Viren als Träger in die Zellen einbrachten, zu Blutstammzellen um. Die hergestellten Zellen waren zwar molekular nicht völlig identisch mit natürlichen menschlichen Blutstammzellen. Doch im Mausmodell erwiesen sie sich als voll funktionsfähig: Nachdem die Blutstammzellen in das Knochenmark ausgewachsener Mäuse eingepflanzt worden waren, produzierten sie alle wichtigen Blutzelltypen.
Therapeutische Anwendung noch nicht möglich
Die Blutstammzellen dieser ersten Empfänger ließen sich in der Folge sogar auf weitere Tiere transplantieren, in denen dann ebenfalls alle wichtigen Blutzelltypen entstanden. Eine direkte Anwendung bei Menschen wird in nächster Zeit allerdings nicht möglich sein, wie Experten betonen. So erklären Carolina Guibentif und Berthold Göttgens von der britischen Universität Cambridge in einem „Nature“-Kommentar, man müsse zunächst prüfen, ob von künstlich erzeugten Blutstammzellen ein erhöhtes Krebsrisiko ausgehe. Dennoch ist die Studie ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem besseren Verständnis von Bluterkrankungen und ermöglicht die Erforschung neuer therapeutischer Optionen.
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