Ernährung im Lockdown: Mehr Brot, mehr Süßigkeiten
Während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie wurde in Deutschland im März 2020 erstmals ein Lockdown verhängt. Die Verhängung von Ausgangssperren und die vorübergehende Schließung von Gastronomie, Kultur- und Sportstätten machte auf einen Schlag vieles anders. Weil Sport- und Ernährungsgewohnheiten mit der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen unmittelbar zu tun haben, führte eine Gruppe von Münchner Wissenschaftlern eine Online-Umfrage unter Studenten mehrerer großer bayerischer Universitäten durch. Das Ergebnis der jetzt auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) präsentierten Studie: Die Lockdown-Maßnahmen haben „einen starken Einfluss auf die Sport- und Essgewohnheiten".
Lockdown: Jeder Dritte isst mehr als zuvor
31 Prozent der Teilnehmer gaben an, mehr zu essen als vor dem Lockdown. Immerhin 16 Prozent aßen allerdings weniger. Die Studie versuchte dabei, den Umständen sowie den bestimmenden Faktoren für ein verändertes Essverhalten auf die Spur zu kommen. Eine Zunahme der Nahrungsmenge wurde dabei in Zusammenhang gebracht mit einem zunehmenden Body-Mass-Index (BMI), mit mentalem Stress – aber auch mit verstärkten sportlichen Aktivitäten. „Die größere Nahrungsmenge war vornehmlich durch den Konsum von Brot und Süßigkeiten getrieben“, heißt es in der Studie. Dem männlichen Geschlecht anzugehören, „schützte“ demnach vor einer gesteigerten Nahrungsaufnahme.
Die aktuelle Befragung aus Bayern stützt Ergebnisse anderer Studien. Erst Anfang März ergab eine Insa-Umfrage im Auftrag des rbb für das Sendegebiet Berlin-Brandenburg, dass fast jeder Zweite seit Beginn der Covid-19-Pandemie zugenommen habe. Frust-Essen, mehr Alkohol, unfreiwillige Häuslichkeit, weniger Bewegung: Die Pandemie hinterlasse auch bei Gesunden ihre Spuren. In der rbb-Umfrage gaben 43 Prozent der Verbraucher an, sie hätten zugenommen – um 5,5 Kilo im Schnitt. Bei jedem Siebten waren es sogar 10 Kilo oder mehr.
Lockdown-Sport: Laufen, Radfahren, Muskeltraining, Yoga
Das ungünstigere Ernährungsverhalten findet seine Entsprechungen in den für die Gesundheit ebenso relevanten regelmäßigen sportlichen Aktivitäten. 44 Prozent der befragten Studenten erlebten im Lockdown einen Rückgang an körperlicher Aktivität. Ihnen stehen 32 Prozent an Befragten gegenüber, die ihre sportlichen Aktivitäten trotz oder wegen der widrigen Umstände steigerten. Typische Sportarten, die im Lockdown (weiter) ausgeübt wurden, waren Laufen, Radfahren und Muskeltraining sowie, insbesondere bei Frauen, Yoga. Eine gute Nachricht: „Es ließ sich beobachten, dass sportlich aktivere Teilnehmer oftmals ihr Level hielten“, berichten die Autoren der Studie. „Medizinstudenten erschienen in der Umfrage überdurchschnittlich sportlich.“
Fast 2.000 Schritte weniger am Tag als vor Corona
Wie sehr sich die Bewegungsgewohnheiten im Lockdown verändert haben, lässt sich an der Zahl der pro Tag (weniger) gemachten Schritte ablesen. Dafür waren die Teilnehmer gebeten worden, den Forschern ihre per Smartphone oder Smartwatch gesammelten Schrittzählerdaten von drei vordefinierten Tagen vor und während des Lockdowns zur Verfügung zu stellen. Ergebnis: Vor dem Lockdown gingen die Teilnehmenden pro Tag durchschnittlich 6.777 Schritte, während des Lockdowns hingegen waren es nur noch 4.829: fast 2.000 oder knapp ein Drittel weniger als in der Vor-Corona-Zeit.
Lockdown: „Starker Einfluss auf das Sport- und Essverhalten“
„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Lockdown-Maßnahmen starken Einfluss auf die Sport- und Essgewohnheiten haben können“, heißt es in einem Statement der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Zwar ließen sich akute Negativauswirkungen auf die kardiovaskuläre Gesundheit aus den Zahlen der Studie nicht ableiten. Die möglichen längerfristigen Folgen eines ungesünderen Lebensstils seien bei der Verhängung zukünftiger Restriktionen zur Pandemiebekämpfung aber zu bedenken.
1.940 Studenten aus sechs großen Universitäten
Insgesamt nahmen an der Befragung 1.940 Studenten im Alter von 19 bis 27 Jahren aus sechs großen bayerischen Universitäten teil. 59 Prozent von ihnen studierten Medizin, 40 Prozent andere Fächer. Abgefragt wurden 20 Items zu Demographie, Informationen zu möglicherweise durchgeführten Sars-CoV-2-Abstrichen, Angaben zu Art und Dauer sportlicher Betätigungen vor und während des Lockdowns sowie der Beschaffung und Veränderungen im Konsum einzelner Nahrungsmittel.