Erhöhen Betablocker das Risiko für Parkinson?

Betablocker wirken gegen Bluthochdruck und dessen Folgen – Foto: ©Rob Byron - stock.adobe.com
Beta-Rezeptor-Antagonisten (kurz: Betablocker) wie Atenolol, Bisoprolol, Propanolo oder Metoprolol werden häufig zur Senkung eines Bluthochdrucks eingesetzt. Auch bei Herzinsuffizienz und koronarer Herzerkrankung können sie verschrieben werden. Einige Studien haben jedoch Hinweise geliefert, dass es möglichweise einen Zusammenhang zwischen der Langzeiteinnahme von Betablockern und dem Auftreten von Parkinson gibt. Viele Patienten, aber auch Ärzte wurden dadurch verunsichert, ob sie die Betablocker besser absetzen sollten.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit, die im Fachmagazin „Lancet“ veröffentlich wurde, hat nun den momentanen Erkenntnisstand zusammengefasst, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichtet. Demnach sollten Patienten ihre Medikamente nicht aus Sorge vor einer Parkinson-Erkrankung absetzen. Der Nutzen der Betablocker, beispielsweise nach einem Herzinfarkt, sei ungleich höher als das mögliche Parkinson-Risiko, so die Autoren.
Zusammenhang zwischen Betablockern und Parkinson-Risiko nicht belegt
Bei der früheren Studie, die eine Erhöhung des Parkinson-Risikos durch eine Langzeittherapie mit Betablockern nahegelegt hat, handelt es sich um eine epidemiologische Beobachtungsstudie. Zudem hatte eine Grundlagenuntersuchung einen bisher noch nicht bestätigten Mechanismus in Zellexperimenten gefunden, demzufolge der Betablocker Propranolol die Produktion von α-Synuclein, dem Hauptbestandteil der Lewy-Körper, hochreguliert.
Aus genetischen Studien ist bekannt, dass ein vermehrtes Vorliegen von α-Synuclein zu häufigerem Auftreten von Parkinson führt. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Einnahme von Betablockern und dem Risiko für Parkinson ist damit aber noch lange nicht belegt.
„Die Assoziationen zwischen Betablockern und erhöhtem Parkinson-Risiko könnten auch Resultat statistischer Verzerrungen und Störfaktoren sein“, betont PD Dr. Franziska Hopfner, Erstautorin der aktuellen Arbeit. Sie verweist zudem darauf, dass Beobachtungsstudien keine Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nachweisen können.
Frühe Parkinsonsymptome vermutlich mit Propranolol behandelt
Hopfner analyiserte die Zusammenhänge nun genauer: „Unsere Untersuchung konnte zeigen, dass das erhöhte Risiko für Parkinson unter Betablockern nicht mehr nachweisbar war, wenn Patienten mit Tremor ausgeschlossen werden“, so die Forscherin. Da ein unspezifischer Tremor zu den sehr frühen, wenn auch uncharakteristischen Parkinson-Vorzeichen (sogenannte Prodromi) gehört, wurde Propranolol vermutlich zur Behandlung des prodromalen Parkinson-Symptoms Tremor eingesetzt, ist damit aber nicht Verursacher der Erkrankung. Das würde auch erklären, warum Primidon, das ebenfalls zur Tremorbehandlung eingesetzt wird, auch mit einem erhöhten Parkinson-Risiko assoziiert zu sein schien – ein Effekt, der ebenfalls verschwindet, wenn man diese Patienten aus der Statistik ausschließt.
Ergebnisse möglicherweise durch andere Faktoren verzerrt
Auch die in einer früheren Studie gefundene Assoziation zwischen Beta-Rezeptor-Agonisten (Salbutamol) und einem vor Parkinson schützendem Effekt konnte bislang nicht bestätigt werden. Auch hier könnten andere Faktoren reinspielen, so die Autoren der aktuellen Arbeit, z. B. der Nikotinkonsum der Patienten. So haben verschiedene Beobachtungsstudien gezeigt, dass Raucher seltener an Parkinson erkranken als Nichtraucher. Insbesondere starke Raucher gehören jedoch prinzipiell zu der Gruppe chronisch lungenkranker Patienten, die regelmäßig Beta-Rezeptor-Agonisten verordnet bekommen, so dass ein vermeintlich schützender Effekt der Beta-Agonisten bei diesen Patienten auch über den Nikotinkonsum zu erklären sein könnte.
„Natürlich ist Nikotin nicht als Parkinson-Prophylaxe zu empfehlen. Das Risiko, an den bekannten Folgen des Rauchens zu erkranken und zu versterben, ist deutlich höher als überhaupt eine Parkinson-Erkrankung zu bekommen“, so Hopfner. „Umgekehrt ergibt es natürlich auch keinen Sinn, zur Senkung des Parkinson-Risikos auf Betablocker zu verzichten und dafür beispielsweise einen Herzinfarkt zu riskieren oder einen Bluthochdruck nicht zu behandeln.“
Nutzen von Betablockern höher als Risiko
„Selbst wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen Betablockern und der Parkinson-Krankheit bestehen würde, was derzeit nicht bewiesen ist, so ist er nach jetzigem Kenntnisstand als gering einzustufen“, betont Hopfner. Laut dem Lancet Neurology-Bericht würde rechnerisch nur eine einzige Parkinsonerkrankung bei 10.000 Patienten nach fünf Jahren Propranolol-Behandlung verursacht werden. Ärzte und Patienten sollten daher keinesfalls in Panik geraten und Betablocker vorschnell absetzen, so die Autoren. Damit würde man der Gesundheit mehr schaden als nutzen.
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