
Studie mit 1.500 Jugendlichen zur Epigenetik: Intelligenz kann durch Umwelteinflüsse beeinträchtigt werden
Jeder Mensch ist von Geburt an mit einem gewissen Grad an Intelligenz ausgestattet. Der eine mehr, der andere weniger. Inwieweit Umwelteinflüsse die Intelligenz im Laufe des Lebens beeinflussen, ist unter Experten umstritten. Einige sind überzeugt, dass zum Beispiel traumatische Erfahrungen die Intelligenz mindern können. Belege dafür gibt es bisher kaum. Ergebnisse einer aktuellen Studie der Charité sprechen nun für diese Annahme. Wie die Forscher im Fachblatt "Translational Psychiatry" berichten, haben Umweltfaktoren über sogenannte epigenetische Veränderungen des Erbguts mehr Einfluss auf die Intelligenz als bisher angenommen.
Epigenetik ist, wenn sich das Erbgut der Umwelt anpasst
Epigenetik bedeutet, dass äußere Einflüsse wie zum Beispiel Stress und belastende Erfahrungen die Aktivität von Genen beeinflussen und zu individuellen Strukturveränderungen am Erbmaterial führen. Das Erbgut passt sich also den Anforderungen seiner Umwelt an.
Dass epigenetische Veränderungen auch messbare Auswirkungen auf die Leistungen im Intelligenztest haben, konnte das Team um die beiden Psychiater Prof. Dr. Andreas Heinz und Dr. Jakob Kaminski an rund 1.500 Jugendlichen zeigen. In der Studie untersuchten die Forscher speziell das Dopamin-Rezeptorgen, ein Gen, das im Nervensystem für die Signalübertragung mit dem Botenstoff Dopamin von Bedeutung ist. Der „Belohnungs-Botenstoff“ Dopamin wiederum steuert maßgeblich den Antrieb und die Motivation einer Person.
Weniger Dopamin-Rezeptoren, weniger IQ
Beim Vergleich der Intelligenztests mit der Genaktivität zeigte sich, dass jene Probanden, bei denen das Gen stummgeschaltet war, deutlich schlechter in dem Test abschnitten. Die Stummschaltung führen die Forscher auf epigenetische Veränderungen zurück. Diese bewirken, dass weniger Dopamin-Rezeptoren auf den Nervenzellen gebildet werden und die Signalübertragung verringert wird.
Schon in früheren Studien konnten die Charité-Forscher einen Zusammenhang zwischen der Aktivität des Dopamin-gesteuerten Belohnungssystems, Stress und der Intelligenzleistung beobachten. „Wir konnten in der vorliegenden Untersuchung beobachten, dass individuelle Unterschiede in Intelligenztests auch mit epigenetischen Veränderungen und Unterschieden in der Hirnaktivität zusammenhängen, die umweltbedingten Einflüssen unterliegen“, fasst Dr. Jakob Kaminski die Erkenntnisse zusammen. Die Bedeutung der umweltabhängigen Steuerung der Genaktivität trete nun neben andere bekannte Einflüsse auf die Leistung in Intelligenztests. Dazu zählten unter anderem Armut und die genetische Konstitution.
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