
Seit einigen Jahren ein Trend: Fitnesstraining mit Stromstößen – Foto: ©contrastwerkstatt - stock.adobe.com
Schlank und fit in kürzester Zeit: Durch Stromstöße beim Training soll das möglich werden. EMS (Elektromyostimulationstraining) nennt sich die Methode, die in immer mehr Fitnessstudios angeboten wird. Doch der Trend ist nicht ungefährlich, wie jetzt die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) erklärt. Vielmehr soll die Methode, falsch angewandt, zu Schäden an Muskeln und Nieren führen können. Zudem sei nicht bewiesen, dass die versprochenen Effekte erreicht werden, so die Gesellschaft.
Personal in Fitnessstudios oft nicht ausreichend geschult
Viele Fitnessstudios werben damit, dass beim EMS durch den zusätzlichen Reizstrom ein hocheffizientes Training möglich wird, bei dem mit nur 20 Minuten Einsatz pro Woche große Effekte erzielt werden können. Der Grund für diese Annahme: Die gezielte Stromzufuhr führt zu stärkeren Muskelkontraktionen, die auch tiefere Muskelfasern erreichen und somit zu einem schnelleren Aufbau der Muskulatur führen sollen.
Und in der Tat wird EMS daher schon seit Jahren in der Physiotherapie und im Hochleistungssport zum Muskelaufbau nach einer OP oder längerer Bettlägerigkeit eingesetzt. Die Massenanwendung der Methode sei allerdings noch Neuland, erklärt Professor Stefan Knecht, Chefarzt der Klinik für Neurologie der St. Mauritius Therapieklinik in Meerbusch und Pressesprecher der DGKN: „Während Ärzte und Physiotherapeuten in dieser Methode ausgebildet wurden, ist das Personal in Fitnessstudios aber oft nicht ausreichend geschult, um die Belastung richtig einzuschätzen.“ Die DGKN rät daher von EMS-Training im Breitensport ab: Die Methode sollte nur unter Anleitung ausgebildeter Sportmediziner und Physiotherapeuten zum Einsatz kommen.
Nierenschäden durch EMS möglich
Während des EMS-Trainings trägt der Sportler einen speziellen Anzug, der den Strom in die Muskeln leitet. Der Trainer gibt Anweisungen und reguliert die Stromintensität für die einzelnen Körperregionen über ein Kontrollpanel. Verschiedene Muskelgruppen werden für einige Sekunden gezielt angespannt und anschließend wieder entlastet – durch die intensive Anspannung mit zusätzlicher Stromzufuhr ist ein kurzes Workout ausreichend. „Der geringe Aufwand ist tückisch und kann dazu verleiten, häufiger oder ausgiebiger zu trainieren als empfohlen“, so Knecht. „Das EMS-Training sollte höchstens ein- bis maximal zweimal pro Woche absolviert werden“.
Ein zu intensives Krafttraining führt zu einer erhöhten Ausschüttung der Creatin-Kinase (CK), einem Enzym, das die Muskeln mit Energie versorgt. Wissenschaftler der Sporthochschule Köln haben herausgefunden, dass der Anstieg der CK beim EMS-Training bis zu 18-mal höher ist als beim herkömmlichen Training. Diese Extremwerte können in Einzelfällen zu Nierenschädigungen führen. Im Zweifel gilt: Wer nach dem Training Schmerzen, Herzrasen oder ein Schwächegefühl verspürt, sollte den Arzt aufsuchen.
EMS nicht zu intensiv anwenden
Beim EMS-Training macht also die Dosis das Gift. Neben ausreichenden Erholungsphasen zwischen den Trainingseinheiten ist auch eine moderate Stromintensität wichtig. Gefahr droht, wenn jemand den Regler unkritisch nach oben dreht. „Geschultes Personal muss die Stromintensität überwachen und die Trainer müssen auf die Gefahr des Übertrainierens hinweisen“, betont der DGKN-Pressesprecher. Außerdem ist es für die Nierenfunktion wichtig, ausreichend zu trinken – selbst wenn die Trainingseinheiten nur kurz sind. „Das EMS-Training ist nicht geeignet, um bequem und ohne Anstrengung in Form zu kommen, denn der Trainingseffekt ist nicht bewiesen und bei falscher Anwendung ist die Methode sogar riskant“, resümiert Knecht. Ein reguläres Fitnesstraining sei hingegen effektiv und sicher, so der Experte.
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