Drinnen lauert die Gefahr: Aerosolforscher schreiben offenen Brief an die Bundesregierung

Coronaviren lieben stickige Luft: Aerosolforscher kritisieren Corona-Maßnahmen und werben für mehr Open-Air
„In der Fußgängerzone eine Maske zu tragen, um anschließend im eigenen Wohnzimmer eine Kaffeetafel ohne Maske zu veranstalten, ist nicht das, was wir als Experten unter Infektionsvermeidung verstehen.“ Das ist nur einer von vielen Kritikpunkten, den Experten der Deutschen Gesellschaft für Aerosolforschung der Bundesregierung in einem offenen Brief mitteilen.
Eine Maskenpflicht im Freien oder ein Verbot von Treffen im Park seien „symbolische Maßnahmen, die keinen nennenswerten Einfluss auf das Infektionsgeschehen erwarten ließen“. Schlimmer noch: Solche Regeln führen den Experten zufolge bei den Bürgern zu falschen Vorstellungen über das mit dem Virus verbundene Ansteckungspotenzial, denn sie suggerierten, das es draußen gefährlich sei, heißt es weiter in dem Schreiben vom 11. April.
Corona wird über die Luft übertragen
Dabei bestehe inzwischen wissenschaftlicher Konsens, dass „die Übertragung der SARS-CoV-2 Viren fast ausnahmslos in Innenräumen stattfindet.“, und zwar über die Luft bzw. ausgeatmete Aersole. Dagegen seien Übertragungen im Freien äußerst selten und führten nie zu ‚Clusterinfektionen“, also zu sogenannten Superspreading-Ereignissen.
„Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt“, kritisieren die Experten. Stattdessen würden Treffen in Parks verboten, Rhein- und Mainufer gesperrt, Innenstädte und Ausflugsziele für den Publikumsverkehr abgeriegelt. Das sei eine ebenso irreführende Kommunikation wie die aktuell diskutierten Ausgangssperren. „Wir teilen das Ziel einer Reduzierung problematischer Kontakte in Innenräumen, aber die Ausgangssperren versprechen mehr als sie halten können.“
Räume gut lüften
Stattdessen müsse man die Menschen sensibilisieren, dass drinnen die Gefahr lauert: in den Wohnungen, in den Büros, in den Klassenräumen, in Wohnanlagen und in Betreuungseinrichtungen. Dort sollte man gut sitzende Masken tragen und Bedingungen wie im Freien schaffen durch häufiges Stoß- oder Querlüften. Raumluftreiniger und Filter seien für Wohnheime, Schulen und Büros empfehlenswert, so die Aerosolforscher.
Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse raten die Experten, Veranstaltungen wie Theater, Konzerte oder Gottesdienste in großen, gut gelüfteten Hallen stattfinden zu lassen, auf keinen Fall in kleinen Räumen. Noch besser wäre Open Air. Denn an der frischen Luft werden Viren rasch verweht und durch die UV-Strahlung innerhalb von drei Minuten zerstört. Anders in Innenräumen: Hier können sich virushaltige Aerosoloe über Stunden halten. „Auch dann kann eine Ansteckung stattfinden, wenn man sich nicht direkt mit jemandem trifft, sich aber ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten hat", heißt es weiter in dem Schreiben.
Widersinnige Regeln verstärken Pandemiemüdigkeit
„Wenn unseren Bürgerinnen und Bürgern alle Formen zwischenmenschlicher Kontakte als gefährlich vermittelt werden, verstärken wir paradoxerweise die überall erkennbare Pandemiemüdigkeit. Nichts stumpft uns Menschen bekanntlich mehr ab als ein permanenter Alarmzustand. Wir müssen uns deshalb um die Orte kümmern, wo die mit Abstand allermeisten Infektionen passieren - und nicht unsere begrenzten Ressourcen auf die wenigen Promille der Ansteckungen im Freien verschwenden.“
Dem offenen Brief haben die Aersolforscher ein Positionspapier vom vergangenen Winter angehängt. Hier waren bereits die vielfältigen Erkenntnisse zur Übertragung der SARS-CoV-2 Viren über den Luftweg publiziert, an denen sich bis heute nichts geändert hat.