Digitaler Stress macht Azubis krank
Die Krankschreibungen wegen psychischer Probleme sind bei Auszubildenden seit der Jahrtausendwende stark angestiegen – noch stärker als bei den Krankenversicherten insgesamt. Nach dem jetzt veröffentlichten Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) erhöhten sich die Fehlzeiten aufgrund von Depressionen, Anpassungs- und Belastungsstörungen bei Auszubildenden zwischen 16 und 25 Jahren in den vergangenen 16 Jahren um 108 Prozent.
Depressionen: Dritthäufigste Ursache für Krankschreibung
Gleich aus mehreren Gründen wertet die TK diesen Trend als auffällig. Bei den TK-Versicherten über alle Altersklassen hinweg stiegen die Fehlzeiten wegen psychischer Störungen im Vergleichszeitraum zwar ebenfalls an – aber mit 88 Prozent deutlich weniger stark. Weiterhin sind Auszubildende generell mit 11,5 Fehltagen im Jahr 3,3 Tage weniger lang krankgeschrieben als der Durchschnitt der Beschäftigten in Deutschland. Zudem registrierte die TK 2016 bei den Jungen in vielen relevanten Diagnosefeldern sogar geringere Fehlzeiten als in den Jahren zuvor.
„Während die psychisch bedingten Fehlzeiten insgesamt seit drei Jahren auf hohem Niveau stagnieren, steigen sie in der jüngsten Beschäftigungsgruppe weiter“, sagte Thomas Grobe vom Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQUa), das die Versichertendaten der TK ausgewertet hat. Depressionen sind mittlerweile die dritthäufigste Ursache für Krankschreibungen – nach Atemwegs- und Magen-Darm-Infekten.
Generation "Always on" muss lernen, abzuschalten
Eine Ursache für das hohe Stresslevel der Berufseinsteiger sehen die Experten der TK im Medienkonsum. "Viele verbringen ihren Feierabend gern mit digitalen Medien. Das allein muss nicht per se schädlich sein“, sagt Neurologe Volker Busch von der Universität Regensburg. „Aber der Versuch, sie gleichzeitig oder wechselweise zu nutzen und so ständig abgelenkt und unterbrochen zu sein, kostet das Gehirn Kraft und geht auf Kosten der Regeneration. Busch, der sich als Leiter einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe an der Uni Regensburg mit psychosozialem Stress befasst, rät: „Erst die konzentrierte Tiefe auf eine Angelegenheit, das Versinken in einem Buch, einem Gespräch oder das Genießen der Natur entspannt das Gehirn effektiv. Auch ein spannender Film könnte das leisten, wenn man ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken würde. Unser Gehirn braucht solche Ruhephasen, auch wenn manche erst wieder lernen müssen, diese auszuhalten."
Immer online: Privater Stress auch im Büro präsent
Als Präventivangebot hat die Techniker Krankenkasse gerade einen Film produzieren lassen, der Auszubildende und Studenten zu einem bewussteren, souveräneren – und gesünderen – Umgang mit digitalen Faszinationen animieren soll. „Social Media ist für die Generation Smartphone Alltag und die meisten sind sich ihrer digitalen Außenwirkung sehr bewusst“, resümiert Filmemacher Holger seine Erfahrungen bei der Produktion seines Films für die TK (Titel: „Digital ins Berufsleben“). „Oft führt aber der unkritische Umgang mit ‚Internetfakten‘ so wie das Stress erzeugende ‚Always on‘ beim Eintritt ins Berufsleben zu Problemen.“ Dass junge Leute den intuitiven Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln ganz selbstverständlich beherrschten, gelte für Unternehmen dabei als Pluspunkt, sagen die Experten der TK. „Aber wir stellen auch fest, dass die junge Generation keine Trennung zwischen dem beruflichen Alltag und den Stressfaktoren aus dem Privatleben mehr macht.“
Foto: TK