Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Die größten Irrtümer über Antibiotika und Antibiotikaresistenzen

Montag, 18. November 2019 – Autor:
Über einige häufige Irrtümer und Missverständnisse im Zusammenhang mit Antibiotika und Antibiotikaresistenzen klärt jetzt die Deutsche Gesellschaft für Infektologie auf.
antibiotika, medikamenten, arzneimittel

Infektologen klären Irrtümer und Missverständnisse zu Antibiotika und Resistenzen auf – Foto: ©pictoores - stock.adobe.com

In der Weltantibiotikawoche vom 18. bis 24. November macht die WHO auf eine der größten Herausforderungen in der Medizin aufmerksam: die Verbreitung von Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind. Lösen solche Bakterien Infektionen aus, sind diese schwer zu behandeln.

Aus diesem Anlass klärt die Deutsche Gesellschaft für Infektologie (DGI) über einige häufige Irrtümer und Missverständnisse im Zusammenhang mit Antibiotika und Antibiotikaresistenzen auf.  So wird beispielsweise nicht der Mensch gegen Antibiotika resistent, sondern der Erreger.

Antibiotika wirken nicht gegen Erkältung oder Grippe

Einer Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK zufolge erwarten 72 Prozent der Patienten, dass ihr Arzt bei einer Erkältung ein Antibiotikum verschreibt, wenn die Beschwerden nicht von selbst besser werden. Und tatsächlich werden bei Erkältungen noch immer häufig Antibiotika verschrieben - fälschlicherweise. Denn Antibiotika wirken nur gegen Bakterien, nie gegen Viren. Das heißt, sie helfen weder bei Erkältungen noch bei grippalen Infekten oder Grippe, auch nicht, wenn diese hartnäckig sind.

Manchmal wird eine Virusinfektion von einer bakteriellen Infektion begleitet. Nur in solchen Fällen ist mitunter ein Antibiotikum nötig. Werden Antibiotika zu oft oder falsch eingesetzt, bilden Bakterien immer schneller Resistenzen gegen die Medikamente und Antibiotika verlieren ihre Wirkung.

Antibiotika bis zu Ende einnehmen?

Vielen Menschen ist folgende Regel geläufig: Ein Antibiotikum sollte auch noch nach dem Verschwinden der Symptome und stets bis zum Ende der Packung eingenommen werden. Diese Regel ist zu stark vereinfacht und veraltet. Denn heute wissen Forscher: Bei vielen Infektionen reicht auch eine kurze Einnahmezeit aus, um die Erkrankung erfolgreich zu bekämpfen.

Bei einer Harnwegsinfektion beispielsweise muss das Medikament mitunter nur einen Tag lang eingenommen werden. Eine kürzere Therapie hat zudem den Vorteil, dass weniger resistente Erreger entstehen. DGI-Experten empfehlen: Der Arzt sollte idealerweise eine individuelle Einnahmedauer vorgeben, die gezielt auf die jeweilige Infektion und den zu erwartenden Verlauf abgestimmt ist. Sind die Symptome frühzeitig ausgeheilt, sollte der Patient den Arzt kontaktieren und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. Für Antibiotika gilt also, was für andere Medikamente auch gilt: Sie sollten so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich eingenommen werden.

Menschen werden nicht gegen Antibiotika resistent

2018 zeigte eine Befragung von 2.000 repräsentativ ausgewählten Teilnehmern: Rund 63 Prozent der Deutschen gingen irrtümlicherweise davon aus, dass Menschen gegen Antibiotika resistent werden können. Richtig ist: Nur Bakterien werden gegen Antibiotika resistent. Diesen Abwehrmechanismus haben Bakterien im Laufe der Evolution gebildet.

Resistente Bakterien können sich ausbreiten und werden so für alle zum Risiko - auch für Menschen, die noch nie ein Antibiotikum eingenommen haben. Kommen beispielsweise abwehrgeschwächte oder frisch operierte Menschen mit resistenten Bakterien in Kontakt, können diese zu schwer zu behandelnden Infektionen führen.

Die größte Gefahr sind noch immer nicht-resistente Erreger

Tatsächlich sind resistente Bakterien nicht wie oft angenommen per se gefährlicher als nicht-resistente. So stehen beispielsweise zur Behandlung des resistenten Bakteriums MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) immer noch Antibiotika aus mindestens sechs unterschiedlichen Substanzklassen zur Verfügung. Für andere Bakterien, die nicht als resistent eingestuft sind, stehen weniger Antibiotika-Substanzklassen zu Verfügung, heißt es weiter in einer Pressemitteilung.

Zudem werden hierzulande nach wie vor die allermeisten schweren Infektionen durch Erreger verursacht, die nicht als multiresistent gelten: Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 30.000 Menschen an einer durch das Bakterium Staphylococcus aureus ausgelösten Blutstrominfektion, eine Infektion, die wegen ihrer hohen Sterblichkeitsrate gefürchtet ist. Weniger als zehn Prozent dieser Infektionen werden durch die multiresistente Variante von Staphylococcus aureus (MRSA) ausgelöst. MRSA ist sogar auf dem Rückzug.

Die größten Irrtümer über Antibiotika und Antibiotikaresistenzen

Um die Verbreitung von Resistenzen zu minimieren und die Wirksamkeit und Verfügbarkeit von Antibiotika auch in Zukunft sicherzustellen, sind alle in der Verantwortung, so die WHO in ihrem Leitsatz zur diesjährigen Weltantibiotikawoche.

"Das reicht von der rationalen Antibiotikaverordnung in der Human- und Tiermedizin über den sorgsamen Umgang mit Antibiotika seitens Patienten bis hin zur Politik und der pharmazeutischen Industrie, die sich dringend über die Problematik der unzureichenden Antibiotika-Forschung und Antibiotika-Lieferengpässe verständigen müssen", sagt Prof. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln und Vorsitzender der DGI. Dazu gehört es auch, über die größten Irrtümer über Antibiotika und Antibiotikaresistenzen aufklären.

Foto: pictoores/adobe.com

Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Antibiotika

Weitere Nachrichten zum Thema Antibiotikaresistenzen

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin