Diabetes-Patienten werden zu oft amputiert
Mehr als die Hälfte bis zu drei Viertel dieser Patienten sind damit unterversorgt. „Vor allem bei den über 70-jährigen wächst der Anteil der nicht Versorgten“, so Report-Autor Professor Gerd Glaeske. Das hat beim diabetischen Fußsyndrom mitunter gravierende Folgen. So konnte die Zahl der Vorderfuß- und Zehen-Amputationen in Folge der Stofwechselerkrankung Diabetes seit 25 Jahren kaum verringert werden, wie Glaeske beklagt. „Das ist ein Drama. Es ist auch beschämend“, sagte er bei der Vorstellung des Reports.
Prävention von Amputationen bei Diabetes
1989 hatten sich die europäischen Staaten in der Deklaration von St. Vincent verpflichtet, Folgeschäden des Diabetes zu verhindern. Das sei jedoch trotz Disease Management Programmen in Deutschland nicht gelungen, so die traurige Bilanz Glaeskes. Er appellierte an die Ärzte mehr Bewusstsein für das Problem der Amputationen zu entwickeln und medizinische Fußpflege als Prävention von Amputatiion häufiger zu verordnen. „Wir müssen die Podologie stärker als Präventionsmöglichkeit nutzen“, forderte Glaeske.
Dabei stellt der Report eine regional sehr unterschiedliche Verteilung der Podologie-Verordnungen fest. Am seltensten wird die Leistung im Südwesten Deutschlands verordnet, am häufigsten in der Mitte. Erhielten im Saarland 15,3 Prozent der Risikopatienten eine podologische Versorgung, waren es in Sachsen mit 29,7 Prozent fast doppelt soviele.
Zu wenig Kompressionstherapie
Doch nicht nur die Situation der Diabetiker mit Fußsyndrom stellt sich in dem Report dramatisch dar. Ähnlich schlecht sieht die Versorgung von chronischen Wunden am Unterschenkel aus. Run 210.000 Menschen litten 2012 akut an solchen Geschwüren. Das waren laut Barmer GEK mit einem Anteil von 0,26 Prozent der Bevölkerung deutlich mehr als bisherige Studien zeigten. Nur knapp 40 Prozent der Betroffenen bekommen den Angaben zufolge eine Kompressionstherapie. „Deren Unterlassung ist nach Meinung vieler Fachleute ein Behandlungsfehler“, so der stellvertretende Vorstandschef der Barmer GEK Dr. Rolf-Ulrich Schlenker.
Während Kassenvize und Reportautor diese Versorgungsdefizite beklagen, weisen sie zugleich auf die deutlichen Steigerungen der Krankenkassenausgaben für Heil- und Hilfsmittel insgesamt im ersten Halbjahr 2014 hin. Die führt der Report jedoch vor allem auf Preissteigerungen und weniger auf Mengenzuwächse zurück. „Da schlägt natürlich die Technik durch“, sagte Schlenker. Er forderte vor diesem Hintergrund, die Preis- und Mengenentwicklung zu kontrollieren.
„In dem extrem unübersichtlichen Markt der Medizinprodukte brauchen wir vor allem eine Nutzenbewertung“, so Schlenker. Zusätzlich spricht er sich gemeinsam mit Glaeske aber auch für ein zentrales EU-weites Zulassungsverfahren aus. Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag zuletzt abgelehnt.
„Hier muss die Bundesregierung eindeutig nachbessern“, sagte Schlenker. Glaeske ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte von der Bundesregierung, dass sie entsprechend dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz AMNOG ein „MEMNOG“ für Medizinprodukte auflegen soll.
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