Deutsche Krankenhausgesellschaft wirft KV-Chef Gassen Verharmlosung vor

Wie ernst ist die Lage wirklich? Deutscher Krankenhausgesellschaft und Kassenärztliche Bundesvereinigung haben da völlig unterschiedliche Auffassungen – Foto: © Adobe Stock/ Регина Иванова
Die Lage in den deutschen Krankenhäusern sieht vielerorts nicht gut aus. In etwa 100 von rund 400 Land- und Stadtkreisen gibt es derzeit maximal noch ein freies Intensivbett für Erwachsene. Und in 50 Landkreisen gibt es nicht einmal mehr das. Regionen mit einem freien Bettenanteil von weniger als zehn Prozent gelten als hoch kritisch. Das sind jetzt schon Berlin, Hessen und Bayern.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt nun vor einer Situation, in der viele Patienten nicht mehr adäquat versorgt werden können. „Das wird auch für andere Patienten gravierende Folgen haben“, sagte DKG-Chef Dr. Gerald Gaß in einem Statement am Donnerstag. „Die Tatsache, dass heute in 100 von 400 Landkreisen maximal ein, und in 50 Landkreisen gar kein Intensivbett zur Verfügung steht, macht die Dramatik der Lage deutlich.“
„Bezug zur realen Lage verloren“
Dem Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) warf Gaß unterdessen Verharmlosung vor. „Wenn der oberste Kassenarzt-Chef hier von unnötiger Panikmache spricht, zeigt dies, dass er offensichtlich den Bezug zur realen Lage verloren hat. Wir empfehlen deshalb dringend eine Dienstreise nach Bayern, Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg zu den dort niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern.“
Der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen, hatte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Donnerstag gesagt: „Die Lage ist schwierig, aber für Panik besteht kein Anlass.“ Ferner sprach der KBV-Chef von „fast schon hysterisch anmutenden Warnungen“ und „Stimmungsmache“ seitens einiger Experten.
Regelversorgung wird weiter eingeschränkt
„Solche Aussagen sind zugleich ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeitenden gerade auf den Intensivstationen, die seit nunmehr 20 Monaten im Ausnahmezustand arbeiten“, kommentierte Gaß die Äußerungen seines ärztlichen Kollegen. „Zudem wissen wir heute schon, dass sich die Zahl der Intensivpatienten in den nächsten Tagen und Wochen immens erhöhen wird.“ Den weiteren Anstieg in den kommenden Tagen können man schon heute nicht mehr verhindern, selbst nicht durch den härtesten Lockdown. „Wir werden deshalb nicht umhinkommen, die Regelversorgung flächendeckend weiter einzuschränken“, kündigte Gaß an.
Sachsens Krankenhauskoordinator fordert Lockdown
Verständnis äußerte er für die Forderung nach einem Lockdown: „Nicht umsonst sagt der Krankenhauskoordinator für Sachsen, dass nur ein harter Lockdown von zwei Wochen Sachsen vor einer dramatischen Situation wie Weihnachten 2020 bewahren kann.“
Es gehe nicht darum, Panik zu erzeugen, fuhr Gaß fort. „ Aber eine dramatische Situation, in der viele Patientinnen und Patienten nicht mehr so versorgt werden können, wie das unser Anspruch ist, muss als solche auch benannt werden.“