Depressive leiden unter Corona-Maßnahmen besonders

Die Corona-Maßnahmen haben nach Einschätzung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe massive Folgen für die psychische Gesundheit. – Foto: ©Nutlegal - stock.adobe.com
Depressiv Erkrankte haben nicht mehr Angst, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, als die Allgemeinbevölkerung, aber: Drei Viertel von ihnen haben den Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 als deutlich belastender erlebt. Das ergibt sich aus dem Deutschland-Barometer Depression der Deutschen Depressionshilfe, Leipzig. Jeder zweite Betroffene musste in dieser Zeit massive Einschränkungen in der Behandlung verkraften, die für viele schon in normalen Zeiten ein wichtiger Anker im Alltag sind. So litten Betroffene fast doppelt so häufig unter der fehlenden Tagesstruktur wie die Deutschen insgesamt (75 Prozent zu 39 Prozent). In der häuslichen Isolation blieben depressiv Erkrankte zudem deutlich häufiger tagsüber im Bett als die Allgemeinbevölkerung (48 zu 21 Prozent).
Corona-Lockdown: Rückzug ins Bett – ein Teufelskreis
„Menschen in einer Depression sind hoffnungslos und erschöpft“, sagt Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. „Eine fehlende Tagesstruktur erhöht das Risiko, dass sich Betroffene grübelnd ins Bett zurückziehen. Lange Bettzeiten können die Depression jedoch weiter verstärken. Ein Teufelskreis beginnt." Während die Allgemeinbevölkerung (58 Prozent) dem veränderten Leben in der Corona-Krise auch Positives abgewinnen kann (zum Beispiel den Frühling bewusster erlebt hat), war dies bei depressiv Erkrankten weniger der Fall (38 Prozent). Auch Wochen nach dem Lockdown fühlen sich Betroffene durch die Situation belastet. Im Juli 2020 gaben 68 Prozent der depressiv Erkrankten an, die Situation als bedrückend zu empfinden. In der Allgemeinbevölkerung waren es nur 36 Prozent.
Jeder zweite Patient erlebt ausgefallene Therapeuten-Termine
Dem Depressions-Barometer zufolge führen die Corona-Maßnahmen zudem zu massiven Einschnitten in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen. Jeder zweite Betroffene (48 Prozent) berichtete von ausgefallenen Behandlungsterminen beim Facharzt oder Psychotherapeuten während des Lockdowns. Jeder zehnte aus dieser Gruppe erlebte sogar, dass ein geplanter Klinikaufenthalt nicht stattfinden konnte. 13 Prozent der Betroffenen gaben an, Behandlungstermine aus Angst vor Ansteckung von sich aus abgesagt zu haben.
Mehr Akzeptanz für Therapie via Telefon oder Video
Um der Versorgungslücke entgegenzuwirken, erhielten Ärzte und Psychotherapeuten im Frühjahr 2020 die Möglichkeit, Videosprechstunden oder telefonische Behandlungen bei den Krankenkassen abzurechnen. 14 Prozent der Patienten, die aktuell an einer Depression leiden, haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in der Corona-Zeit zum ersten Mal Behandlungsangebote per Telefon oder Video genutzt. Die Akzeptanz digitaler Angebote ist in den vergangenen vier Jahren von 40 auf nun 55 Prozent gestiegen. Auch Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes nahmen in diesem Zeitraum ab.
Jeder Fünfte kennt Depression als Krankheit
Depressionen gelten als schwere, oft lebensbedrohliche und dringend behandlungsbedürftige Erkrankung. Laut Stiftung Depressionshilfe gehören sie zu den häufigsten und am meisten unterschätzten Erkrankungen. Jeder fünfte Bundesbürger erkrankt ein Mal im Leben an einer Depression. Mehr als zwei Millionen Bundesbürger sind nach Zahlen der Stiftung derzeit davon betroffen. Aktuellen Studien sowie Daten der Krankenkassen zufolge hat die COVID-19-Pandemie bereits zu einer Zunahme von depressiven Symptomen in der Bevölkerung geführt. Psychiater befürchten einen weiteren Anstieg in den nächsten ein, zwei Jahren.
Stichwort „Deutschland-Barometer Depression"
Das Deutschland-Barometer Depression ist ein vergleichsweise junger Krankheitsreport. Er wurde erstmals 2017 publiziert ist damit nun zum vierten Mal erschienen. Die repräsentative Befragung untersucht Einstellungen in der Bevölkerung zum Thema Depression und zu Erfahrungen mit dieser psychischen Erkrankung. Befragt wurden diesmal 5.178 Personen zwischen 18 und 69 Jahren aus einem repräsentativen Online-Panel im Zeitraum Juni/Juli 2020.
Gefördert wird das Projekt durch die Deutsche-Bahn-Stiftung. „Die psychische Gesundheit ist für uns seit Jahren eines der zentralen Themen“, sagt die Geschäftsführerin der DB-Stiftung, Jenny Zeller. „Wir möchten helfen, über die Krankheit Depression aufzuklären, auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen und für die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen zu sorgen.“
Depressionen: Informations- und Hilfsangebote
- Wissen, Selbsttest und Adressen rund um das Thema Depression unter www.deutsche-depressionshilfe.de
- deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
- fachlich moderierte Online-Foren zum Erfahrungsaustausch für Erwachsene www.diskussionsforum-depression.de und junge Menschen ab 14 Jahren www.fideo.de.
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