Ein Zusammenhang zwischen Depressionen und Immunsystem wird schon lange vermutet. So ist etwa bekannt, dass Depressionen häufig mit leichten chronischen Entzündungen und einem erhöhten Glukokortikoid-Spiegel einhergehen.
Nun haben Forscher ein weiteres Indiz gefunden: Blutzellen, die an der körpereigenen Abwehr beteiligt sind, sind bei Menschen mit depressiven Störungen deformierbarer als bei gesunden Personen. Die Zellgröße war indes gleich. Die Forscher schlussfolgern daraus, dass die Veränderungen auf eine verschlechterte Zellfunktion hinweisen könnten und die generelle Erschöpfung bei vielen Betroffenen weiter erklären könnte.
Mit KI Zellverformbarkeit analysiert
An der kontrollierten Studie nahmen 69 Personen mit depressiven Störungen sowie 70 gesunde Personen teil. Das Blut aller Probanden wurde in einem aufwändigen, KI-gestützten Verfahren untersucht: Dabei wurden über 16 Millionen blutbildende Zellen in die wichtigsten Blutzelltypen klassifiziert und Parameter wie Zellgröße und Zellverformbarkeit jeder einzelnen Zelle quantifiziert. Das Verfahren nennt sich Verformbarkeitszytometrie in Echtzeit (RT-DC).
Verformte Lymphozyten und Monozythen
Auffällig war, dass die Blutzellen depressiver Personen generell verformbarer waren. Jedoch gab es auch innerhalb dieser Gruppe Unterschiede: Personen, die früher einmal an einer persistierenden depressiven Störung gelitten hatten, wiesen eine erhöhte Zellverformbarkeit bei Monozyten und Neutrophilen auf, während sich bei einer gegenwärtigen persistierenden depressiven Störung die Erythrozyten und Lymphozyten stärker verformten.
Damit wurde zum ersten Mal gezeigt, dass depressive Störungen, vor allem über mehrere Jahre andauernde, mit einer erhöhten Deformierbarkeit der Blutzellen einhergehen. Die Studienautoren vermuten, dass die Depression der Auslöser dieser biologischen Veränderungen ist - und nicht umgekehrt.
Veränderungen an den Blutzellen könnten Immunreaktion auslösen
„Dies deutet darauf hin, dass bei depressiven Störungen mechanische Veränderungen der Immunzellen auftreten, die für eine anhaltende Immunreaktion ursächlich sein könnten“, ordnet Erstautor Dr. Andreas Walther von der Uni Zürich die Studienergebnisse ein. Mit der Identifizierung dieses Pathomechanismus könnten zukünftig neue Möglichkeiten zur Therapie einhergehen, „welche die dysfunktionale Zellfunktion über die Verbesserung zellmechanischer Prozesse wiederherstellen könnte“, sagt Walther.
Doch eine Pille, die die Immunzellen wieder in Ordnung bringt, und dann ist alles gut - das hält der Professor für Biopsychologie für unrealistisch. Es brauche parallel auch psychologische Therapien zur Verbesserung dysfunktionaler kognitiver und emotionaler Prozesse. „Meines Erachtens lässt sich nämlich nur in einem holistischen Ansatz dieses komplexe Störungsbild verstehen und effizient therapieren und hoffentlich in Zukunft viel Leid verhindern.“
An der Studie waren die TU Dresden, die Universität Zürich in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, Erlangen, beteiligt. Die Ergebnisse sind soeben im Fachmagazin „Translational Psychiatry“ erschienen.